Scheinselbstständigkeit bei nicht-künstlerischen Tätigkeiten
Leitfaden zur rechtlichen Abgrenzung von Anstellung und Selbstständigkeit bei nicht-künstlerischen Tätigkeiten
Stand: Dezember 2024
Dieser Leitfaden soll Menschen in Kunst und Kultur dabei helfen zu klären,
ob jemand frei beauftragt werden darf
oder angestellt werden muss.
Eine freie Beschäftigung sollte nur vereinbart werden, wenn sicher ist, dass keine Scheinselbstständigkeit vorliegt. Nur so lassen sich rechtliche und finanzielle Nachteile vermeiden.
Wichtig: Der Leitfaden behandelt nur nicht-künstlerische Tätigkeiten.
Themen auf dieser Seite
- Was ist Scheinselbstständigkeit?
- Hintergründe
- Grundsätze
- Risiken scheinselbstständiger Beschäftigungsverhältnisse
- Kriterien und Merkmale von Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit
- Prüfung und Dokumentation des Einzelfalls
- Einzelne Beispiele nicht-künstlerischer Tätigkeit
- Möglichkeit des Statusfeststellungsverfahrens
- Vertragsschluss mit Selbstständigen / tatsächliche Durchführung
- Fazit
- Checkliste persönliche Voraussetzungen Selbstständigkeit
Links/Quellen
Einzelfallprüfung
Fragebogen zur Beschreibung des Auftragsverhältnisses
Checkliste und Downloads zum Status "Selbstständigkeit"
Abgrenzungskatalog für im Bereich Theater, Orchester, Rundfunk- und Fernsehanbieter, Film- und Fernsehproduktionen tätige Personen
Statusfestellungsverfahren
Formularpaket Statusfeststellung
Informationen zum Statusfeststellungsverfahren DRV
Begriffsklärung: Was ist Scheinselbstständigkeit?
Scheinselbstständigkeit bedeutet:
Eine Person arbeitet wie eine angestellte Person, aber sie ist offiziell als selbstständig gemeldet.
Dann ist es eigentlich ein normales Arbeitsverhältnis mit Pflicht zur Sozialversicherung.
Es ist dann egal, wenn beide Seiten glauben: Es ist eine freie Mitarbeit.
Hintergründe
In Deutschland gibt es einen besonderen Schutz für Menschen, die arbeiten. Das hat mit der Geschichte zu tun:
Früher, im 19. Jahrhundert, waren die Arbeitsbedingungen sehr schlecht. Deshalb haben Gewerkschaften für bessere Rechte gekämpft.
Heute steht im Grundgesetz: Der Staat muss für soziale Gerechtigkeit und Sicherheit sorgen.
Das bedeutet:
Die Würde und die Rechte von arbeitenden Menschen müssen geschützt werden. In Deutschland gibt es wegen des Sozialstaatsprinzips viele starke Schutzrechte für Arbeitnehmer*innen.
Dazu gehören zum Beispiel:
- Anspruch auf Urlaub und Mindestlohn
- Kündigungsschutz
- Absicherung bei Krankheit, Arbeitslosigkeit oder im Alter
- Schutz bei Arbeitsunfällen
- sichere Arbeitsplätze durch Arbeitsschutzgesetze
- Tarifverträge für bessere Arbeitsbedingungen
Damit dieser Schutz erhalten bleibt, dürfen Menschen nicht scheinselbstständig beschäftigt werden.
Grundsätze
Arbeitgeber*innen oder Auftraggeber*innen dürfen nicht einfach selbst entscheiden, ob jemand angestellt oder frei beauftragt wird.
Es gibt klare gesetzliche Regeln (zum Beispiel § 611a BGB und § 7 SGB IV). Sie legen fest, wann eine Person als Arbeitnehmer*in gilt.
Außerdem haben Gerichte viele Kriterien entwickelt, um zu unterscheiden, ob jemand selbstständig oder angestellt, das heißt sozialversicherungspflichtig (abhängig) beschäftigt, ist.
Das sind die Merkmale für eine sozialversicherungspflichtige (abhängige) Beschäftigung:
- Die Person bekommt Anweisungen, zum Beispiel wann, wo, wie und wie lange sie arbeiten soll.
- Sie ist in den Betrieb eingebunden und Teil der Arbeitsorganisation.
Das sind die Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit:
- Die Person trägt ein eigenes unternehmerisches Risiko.
- Sie hat oft eine eigene Betriebsstätte (zum Beispiel Büro oder Arbeitsraum).
- Sie bestimmt selbst über ihre Arbeitszeit und Arbeitsweise.
- Die Arbeit ist frei gestaltet, nicht durch Vorgaben der Auftraggeberin / des Auftraggebers.
Ob jemand angestellt oder selbstständig ist, muss man genau prüfen. Man muss sich alle Dinge im Einzelfall anschauen. Wichtig ist das Gesamtbild.
Ein Beispiel:
Vielleicht sprechen einige Dinge für eine Anstellung, andere sprechen dagegen. Wenn mehr Dinge für Selbstständigkeit sprechen, gilt die Person als selbstständig. (Das hat auch das Bundessozialgericht am 4. Juni 2019 entschieden.)
Hinweis:
Was im Vertrag steht, ist nicht entscheidend. Auch wenn im Vertrag steht: „freie Mitarbeit“, kann es in Wirklichkeit ein Arbeitsverhältnis sein.
Laut Gesetz (§ 611a BGB) kommt es darauf an, wie die Arbeit in der Praxis wirklich läuft – nicht darauf, wie man sie nennt.
Wenn die Merkmale für eine Anstellung überwiegen, dann ist es eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.
Wenn bei einer Tätigkeit mehr Merkmale für eine Anstellung sprechen, liegt eine Scheinselbstständigkeit vor. Dann handelt es sich ab dem ersten Tag um ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis. Das bedeutet: Es müssen Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt werden.
Risiken scheinselbstständiger Beschäftigungsverhältnisse
Wenn jemand falsch als selbstständig eingestuft wird, aber es ist eigentlich ein Arbeitsverhältnis (Scheinselbstständigkeit), kann das für Auftrag- oder Arbeitgeber*innen ernste Folgen haben:
- Alle Sozialversicherungsbeiträge (für Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) müssen nachgezahlt werden – für beide Seiten.
- Auch Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag müssen nachgezahlt werden.
- Zusätzlich drohen: Säumniszuschläge, Zinsen, Bußgelder und Zwangsmaßnahmen.
Die Geschäftsführung haftet meist persönlich.
Die betroffene Person (der*die Scheinselbstständige) kann zusätzlich Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis beanspruchen, zum Beispiel Urlaub oder Kündigungsschutz.
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) prüft regelmäßig, ob es eine Scheinselbstständigkeit gibt. Sie prüft das bei möglichen Auftraggeber*innen. Sie prüft das auch bei den Selbstständigen. Diese Prüfung ist Pflicht – Aussagen wie „Wird schon gut gehen“ oder „Andere machen das auch so“ helfen nicht.
Es ist wichtig, frühzeitig zu prüfen und auf Nummer sicher zu gehen. So können keine Probleme entstehen.
Kriterien und Merkmale von Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit
Tätigkeitsbezogene Merkmale / Arbeitsleistung und Umstände
| Kriterien | Merkmale (echter) Selbstständigkeit | Merkmale, die für Scheinselbstständigkeit sprechen |
| Weisungsfreiheit/ -gebundenheit | Die Person entscheidet selbst, wie sie arbeitet. Sie muss nichts berichten oder erklären – nur das Ergebnis ist wichtig. | Die beauftragte Person muss Anweisungen befolgen. Sie muss regelmäßig berichten, was sie macht. |
| Arbeitsorganisation | Freie Gestaltung von Arbeitszeit und -ort. Die Person gehört nicht zum Team des Auftraggebers. Sie arbeitet ganz unabhängig und nicht im Betrieb mit. | Der Auftraggeber bestimmt Zeit und Ort der Arbeit. Meetings und Termine sind Pflicht. Es gibt feste Zeiten, zu denen man erreichbar sein muss. |
| Einbindung in betriebliche Abläufe | Keine Einbindung in Betriebsabläufe | Die Person ist Teil des Unternehmens: Sie hat zum Beispiel einen festen Arbeitsplatz dort, eine Visitenkarte vom Unternehmen oder eine Firmen-E-Mail-Adresse. Wenn sie nicht da ist, muss sie sich abmelden oder das mit anderen absprechen. |
| Vergütung/ Bezahlung | Häufig: Bezahlung nach Ergebnis oder als feste Summe. Die Bezahlung ist höher als bei Angestellten, die ähnliche Arbeit machen. | Die Person bekommt regelmäßig Geld – zum Beispiel jeden Monat – oder sogar ein festes Gehalt. Der Stundenlohn ist ähnlich wie bei fest angestellten Mitarbeiter*innen mit ähnlichen Aufgaben. |
Personenbezogene Merkmale
| Kriterien | Merkmale (echter) Selbstständigkeit | Merkmale, die für Scheinselbstständigkeit sprechen |
| Auftraggeber*innen | Die Person verdient ihr Geld nicht nur mit einem Auftrag, sondern hat mehrere Kund*innen. [1] Wichtig: Von einem*r Auftraggeber*in kommen weniger als 5/6 des Jahreseinkommens. | Arbeitet fast nur für eine*n Auftraggeber*in: Mindestens 5/6 des Jahreseinkommens kommen von einem einzigen Auftrag. |
| Betriebsmittel | Nutzt eigene Arbeitsmittel und Infrastruktur (eigene Büroräume, IT, Geschäftsausstattung, ggf. Fahrzeug etc.) | Nutzung der Betriebsmittel des*der Auftraggeber*in (IT, Arbeitsplatz, Telefon) |
| Wirtschaftliches Risiko | Trägt vollständiges unternehmerisches Risiko | Wirtschaftliches Risiko liegt weitgehend bei dem/der Auftraggeber*in |
| Außenauftritt | Eigener unternehmerischer Auftritt nach außen (Webseite, Werbung, Briefpapier, Logo etc.) | Möglicherweise fehlt der eigene unternehmerische Auftritt nach außen |
| Vertretungsmöglichkeit | Häufig: Recht auf Vertretung durch Dritte | Keine Vertretungsmöglichkeit |
| Soziale Absicherung | Versicherungen gegen Krankheit, Unfall, eigene Vorsorge für das Alter | |
| Berufshaftpflichtversicherung | Es sollte eine Berufshaftpflichtversicherung bestehen. | |
| Gesellschaftsform / Form der Berufsausübung | Nicht zwingend, aber ein Indiz für echte Selbstständigkeit:
| |
| Mitarbeiter*innen | Nicht zwingend, aber häufig: eigene Mitarbeiter*innen |
[1] Es gibt auch die seltenen Fälle der Selbstständigen mit nur einem*r Auftraggeber*in, beispielsweise Handels- oder Versicherungsvertreter*innen nur eines Unternehmens. Das wird im Rahmen dieses Leitfadens nicht behandelt, weil diese Fälle für den Kultur-/Kunstbereich kaum vorstellbar sind.
Prüfung und Dokumentation des Einzelfalls
Prüfung
Ob jemand angestellt oder selbstständig ist, muss immer im Einzelfall geprüft werden.
Ausnahme: Wenn es sich um einen ganz klaren, unproblematischen Auftrag handelt – zum Beispiel:
- Eine Steuerberatung erstellt Steuererklärungen.
- Ein Handwerksbetrieb renoviert Büroräume.
- Eine Fotografin macht Teamfotos.
Dann ist meist eindeutig: Es handelt sich um eine selbstständige Tätigkeit.
Bei der Prüfung, ob eine Tätigkeit selbstständig oder angestellt ist, sollten zwei Dinge genau angeschaut werden:
Die konkrete Arbeit und wie sie gemacht wird:
- Gibt es Weisungen, zum Beispiel zur Arbeitszeit, zum Ort oder zur Art der Arbeit?
- Ist die Person in den Betrieb eingebunden (zum Beispiel feste Abläufe, feste Teams)?
Dann spricht vieles für eine Scheinselbstständigkeit.
Die Person, die die Arbeit macht:
- Arbeitet sie wirklich selbstständig?
- Hat sie zum Beispiel eigene Kund*innen, eigene Arbeitsmittel oder trägt ein eigenes Risiko?
Nur wenn das zutrifft, liegt echte Selbstständigkeit vor.
Nur wenn alle Umstände des Einzelfalls für eine selbstständige Ausübung sprechen, darf ein entsprechender freier Vertrag geschlossen werden.
Bei den folgenden Fällen muss besonders gründlich geprüft werden:
- Wenn die Person früher bereits angestellt war.
-> Wodurch unterscheidet sich die jetzt beabsichtigte Tätigkeit? - Wenn es im Unternehmen Angestellte gibt, die die gleichen Aufgaben ausüben.
-> Wodurch unterscheidet sich die Tätigkeit?
Wenn bei der Gesamtprüfung herauskommt, dass eine Person:
- Weisungen folgen muss und/oder
- in den Betrieb eingebunden ist und/oder
- nicht die Voraussetzungen für echte Selbstständigkeit erfüllt,
dann muss mit dieser Person ein Arbeitsvertrag geschlossen werden. In diesem Fall ist eine freie Mitarbeit nicht erlaubt.
Gesamtwürdigung
Um alle wichtigen Merkmale der Tätigkeit richtig zu prüfen, ist der Fragebogen zur Beschreibung des Auftragsverhältnisses der DRV (Deutsche Rentenversicherung) hilfreich.
Er hilft dabei, die Situation genau zu bewerten und eine klare Entscheidung zu treffen.
Um zu prüfen, ob der/die Vertragspartner*in wirklich selbstständig ist, sollte man einen Fragebogen nutzen.
In diesem Fragebogen macht die Person
- Angaben zu ihrer Tätigkeit
- und legt Belege vor (zum Beispiel Gewerbeanmeldung, Referenzen, Website, weitere Auftraggeber*innen und ähnliches).
So kann man besser beurteilen, ob die Voraussetzungen für echte Selbstständigkeit erfüllt sind.
Beispiele für Fragebogen, Checkliste zur Einschätzung und Mustervertrag (Haufe)
Im Kulturbereich gibt es den Abgrenzungskatalog der GKV-Spitzenverbände. Er gilt für Personen, die zum Beispiel bei Theater, Orchester, Film, Fernsehen oder Rundfunk mitarbeiten – vor allem für künstlerische Tätigkeiten. Betriebsprüfer*innen nutzen diesen Katalog oft als Orientierung bei der Prüfung.
Gibt es nach der Prüfung noch Zweifel, gibt es die Möglichkeit des Statusfeststellungsverfahren (dazu unten mehr).
Dokumentation
Wenn nach der Prüfung klar ist, dass freie Mitarbeit erlaubt ist, sollte man das schriftlich festhalten:
- alle geprüften Punkte
- die Begründung, warum es sich um echte Selbstständigkeit handelt
Das hilft, bei einer späteren Betriebsprüfung sicher und nachvollziehbar zu erklären, warum kein Arbeitsverhältnis vorliegt.
Zur Dokumentation gehört:
- der Vertrag
- Rechnungen
- ausgefüllter Fragebogen zur Selbstständigkeit
- Kopien von wichtigen Nachweisen, zum Beispiel Gewerbeanmeldung, Berufshaftpflichtversicherung, KSK-Mitgliedschaft, eigene Kranken- und Rentenversicherung, Liste anderer Auftraggeber*innen
Regelmäßige Überprüfung
Wenn jemand länger oder immer wieder auf freier Basis arbeitet, sollte man regelmäßig überprüfen, ob die Voraussetzungen für freie Mitarbeit noch erfüllt sind.
Nur so kann man sicherstellen, dass es weiterhin rechtlich erlaubt ist, auf Honorarbasis zusammenzuarbeiten.
Einzelne Beispiele nicht-künstlerischer Tätigkeit
Produktionsleitung/Projektleitung/Veranstaltungsmanagement
In den meisten Fällen zeigt die Prüfung bei diesen Personen: Sie ist Teil des Betriebs und bekommt Anweisungen.
Wenn jemand dauerhaft für den Betrieb arbeitet, ist das ein klares Zeichen dafür, dass die Person eingegliedert ist. Sie ist nicht frei, sondern sollte angestellt sein.
Bei einzelnen Projekten kann es anders sein:
Zum Beispiel, wenn eine Produktionsfirma mit eigenem Büro, eigenem Team und eigener Technik arbeitet. Sie entscheidet selbst, wann und wie sie arbeitet.
In der freien Kunstszene übernehmen sogenannte „Creative Producer“ oft Projekte für verschiedene Auftraggeber*innen.
Sie:
- arbeiten eigenständig,
- treten selbstständig am Markt auf,
- tragen ihr eigenes finanzielles Risiko.
Solche Personen gelten in der Regel als selbstständig. Sie sind nicht in den Betrieb eingebunden und bekommen keine Anweisungen.
Wichtig:
Wenn man sich nicht sicher ist, ob jemand wirklich selbstständig ist, sollte man die Deutsche Rentenversicherung um eine Prüfung bitten.
Produktionsassistenz/Regieassistenz/Assistenz
Schon das Wort „Assistenz“ zeigt: Die Person ist Teil des Betriebs und bekommt Anweisungen. Deshalb kann eine Tätigkeit als Assistenz nicht selbstständig sein. Man arbeitet immer für jemanden und ist dabei an Regeln und Vorgaben gebunden.
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit/Marketing/Redaktion
Auch hier kommt es darauf an: Ist die Person in den Betrieb eingebunden? Bekommt sie Anweisungen?
Beispiel:
Wenn eine Pressesprecherin dauerhaft im Produktionshaus arbeitet, einen festen Arbeitsplatz hat und in die Abläufe eingebunden ist, dann ist klar:
Sie muss angestellt werden. Ein freier Vertrag ist nicht möglich.
Es gibt aber auch Fälle, wo eine freie Mitarbeit möglich ist:
Zum Beispiel, wenn jemand von außen, für ein Theater unter eigener Firma arbeitet. Die Arbeit erfolgt selbstständig, mit eigenen Mitteln und ohne Anweisungen.
Das gilt zum Beispiel für:
- Fotograf*innen
- PR-Fachleute
- Grafik-Designer*innen
Aber: Hier muss man genau prüfen, ob die Person wirklich selbstständig ist: Also nicht eingebunden und weisungsfrei.
Übersetzungen/Textaufträge
Wenn es nur um einzelne Aufträge geht, zum Beispiel eine Übersetzung oder einen Text fürs Programmheft und die Person:
- selbstständig organisiert ist (eigene Firma, Büro, Technik usw.),
- ohne Anweisungen arbeitet,
- alle Merkmale von Selbstständigkeit erfüllt,
dann ist ein freier Vertrag möglich. In diesem Fall liegt keine Scheinselbstständigkeit vor.
Moderator*innen, Trainer*innen
Moderator*innen von Veranstaltungen, Trainer*innen für Schulungen etc. arbeiten oft freiberuflich.
Typisch für solche Aufträge:
- Einzelformate, keine dauerhafte Mitarbeit
- keine Eingliederung in den Betrieb
- freie Gestaltung von Inhalt und Ablauf
- kreative Eigenleistung steht im Mittelpunkt
In diesen Fällen ist ein freier Vertag problemlos möglich.
(Lohn-)Buchhaltung/Finanzverwaltung
Verwaltungstätigkeiten (zum Beispiel Buchhaltung, Projektkoordination) gehören meist zum festen Betrieb.
Typisch dafür ist:
- Die Person ist eingebunden.
- Sie arbeitet nach Anweisung.
- Sie hat oft einen festen Arbeitsplatz.
Deshalb: Anstellung ist in der Regel Pflicht.
Ausnahme:
Wenn die Aufgabe an ein externes Steuerbüro oder eine Projektagentur vergeben wird, die eigenständig arbeitet, kann es sich um echte Selbstständigkeit handeln.
Achtung: Freier Beruf heißt nicht automatisch freie Mitarbeit.
Auch wenn jemand zum Beispiel Journalist*in oder Grafiker*in ist – also einen freien Beruf ausübt –, heißt das noch nicht automatisch, dass die Person auch selbstständig für ein Projekt arbeiten darf.
Wichtig ist:
Wird wirklich selbstständig gearbeitet? Also ohne Anweisungen, ohne feste Einbindung in den Betrieb?
Die Gesamtprüfung im Einzelfall entscheidet. Wenn jemand weisungsgebunden ist oder Teil des Betriebs, liegt ein Arbeitsverhältnis vor, auch wenn im Vertrag etwas anderes steht.
In Zweifelsfällen: Möglichkeit des Statusfeststellungsverfahrens
Wenn man nach genauer Prüfung immer noch nicht sicher ist, ob es sich um Scheinselbstständigkeit handeln könnte, gibt es drei Möglichkeiten:
- Arbeitsvertrag abschließen
→ Das ist der einfachste und sicherste Weg. - Fachleute fragen
- Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV)
→ Damit kann verbindlich geklärt werden, ob die Tätigkeit selbstständig oder sozialversicherungspflichtig ist.
Für die Prüfung, ob jemand selbstständig oder sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, ist die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung (DRV) zuständig.
Wer kann den Antrag stellen?
- Der oder die Arbeitgeber*in (Auftraggebende)
- Die freiberuflich tätige Person (auch wenn sie vielleicht scheinselbstständig ist)
Das Ergebnis gibt beiden Seiten rechtliche Sicherheit.
Wann kann man den Antrag stellen?
Seit 2022 ist es möglich, den Antrag auch schon vor Beginn der Tätigkeit zu stellen. Der Vertrag muss bereits vorliegen. Die Tätigkeit muss genau beschrieben sein.
In diesem Fall trifft die DRV eine sogenannte Prognoseentscheidung:
Sie prüft den Fall im Voraus und entscheidet verbindlich: So ist die Tätigkeit rechtlich einzuordnen, wenn sie wie im Antrag beschrieben ausgeführt wird.
Was braucht man dafür?
- Ein Antragsformular (gibt es bei der DRV: Formularpaket Statusfeststellung)
- Eine genaue Beschreibung der Tätigkeit
Vertragsschluss mit Selbstständigen / tatsächliche Durchführung
Ein Vertrag für freie Mitarbeit sollte klar zeigen: Hier arbeiten zwei selbstständige Parteien zusammen.
Die beauftragte Person:
- arbeitet eigenständig,
- hat keine festen Arbeitszeiten,
- bekommt keine Anweisungen,
- arbeitet nicht beim Auftraggeber vor Ort.
Im Alltag darf es keine festen Strukturen geben. Zum Beispiel regelmäßige Meetings, eine E-Mail-Adresse der Firma oder einen eigenen Arbeitsplatz im Betrieb. Solche Dinge sprechen gegen freie Mitarbeit.
Mehr Infos zum Thema Vertrag findest du hier auf der Wissensplattform. Dort gibt es auch einen Link zu einem Mustervertrag für freie Mitarbeit (von der IHK Frankfurt) als Orientierung.
Fazit
Man muss bei jeder Person genau prüfen, wie sie arbeitet:
Ist sie feste*r Mitarbeiter*in oder arbeitet sie frei auf Honorar?
Tipp:
Wenn man sich nicht sicher ist, ist eine Festanstellung meistens sicherer. Oder es wird das offizielle Verfahren gemacht.
Vorteil der Festanstellung:
Man kann die Art der Zusammenarbeit später ändern, wenn sich etwas verändert.
Wichtig:
Wer regelmäßig prüft, wie die Zusammenarbeit läuft, und die Verträge passend schreibt, kann rechtliche und finanzielle Probleme vermeiden. So ist die Zusammenarbeit fair für alle.
So haben Kulturakteur*innen das Beste aus beiden Welten:
- die Flexibilität freier Mitarbeit
- und die Sicherheit einer Festanstellung.
Anhang: Checkliste persönliche Voraussetzungen Selbstständigkeit
Die folgenden Punkte sollten vor Vertragsschluss mittels eines Fragebogens abgefragt werden:
- Name/Kontaktdaten/Webseite/Betriebs-/Unternehmenssitz
- Nachweise der selbstständigen Tätigkeit (Gewerbeanmeldung, KSK-Mitgliedschaft, Berufsverband etc.)
- Liste weiterer Auftraggeber im Kalenderjahr
- Schriftliche Bestätigung: Die beauftragte Person soll schriftlich erklären, dass sie durch diesen Auftrag nicht mehr als fünf Sechstel (also ungefähr 83 %) ihres gesamten Einkommens im Jahr verdient.
- Bestehen einer Berufshaftpflichtversicherung (Nachweis)
- Bestehen einer privaten oder freiwillig gesetzlichen Krankenversicherung/Altersvorsorge (Nachweis)
- Ist schon einmal ein Statusfeststellungsverfahren für die betreffende Tätigkeit erfolgt? (Nachweis)
- Besteht eine Gesellschaftsform? (GbR, GmbH etc.)
- Werden sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigt?
- Einsatz eigener Betriebsmittel für den Auftrag?
- Wurde oder wird ein Existenzgründungszuschuss bezogen?
- Steuernummer/USt-ID
Wichtig ist:
Die Person, die den Auftrag übernimmt, muss mit ihrer Unterschrift bestätigen: Ich habe alle Angaben wahr und richtig gemacht.
Wenn sich später etwas ändert, muss das sofort mitgeteilt werden.
Alle Angaben müssen belegt werden, zum Beispiel durch:
- Verträge,
- Rechnungen,
- Gewerbeanmeldung,
- Nachweis über andere Auftraggeber*innen
- oder andere passende Unterlagen.
Hinweis:
Die genannten Punkte betreffen nur die persönlichen Voraussetzungen – also ob die Person wirklich selbstständig ist.
Aber es gibt noch andere wichtige Dinge, die geprüft werden müssen:
- Was genau wird gearbeitet?
- Wie wird die Arbeit gemacht?
- Muss die Person Anweisungen befolgen?
- Ist sie in den Betrieb eingebunden (zum Beispiel bei Arbeitszeiten, Meetings, Arbeitsplatz)?
Diese Punkte müssen für jeden Einzelfall genau prüfen werden. Nur wenn alles zusammen für eine freie Mitarbeit spricht, ist ein Auftrag möglich.