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Scheinselbstständigkeit bei nicht-künstlerischen Tätigkeiten

Leitfaden zur rechtlichen Abgrenzung von Anstellung und Selbständigkeit bei nicht-künstlerischen Tätigkeiten

 

Stand: Dezember 2024

Ziel dieses Leitfadens ist es, Akteur*innen im Bereich Kunst und Kultur dabei zu helfen, die in der Praxis sehr wichtige Frage zu klären, ob an Arbeitsprozessen und Produktionen mitwirkende Personen frei beschäftigt werden dürfen oder anzustellen sind. Eine freie Beschäftigung sollte nur vereinbart werden, wenn eine Scheinselbständigkeit und die damit verbundenen negativen rechtlichen und finanziellen (Spät-)Folgen sicher ausgeschlossen werden können. 

Info: In diesem Leitfaden werden nur nicht-künstlerische Beschäftigungsverhältnisse bzw. Beauftragungen behandelt. 

Begriffsklärung: Was ist Scheinselbständigkeit?

Von Scheinselbständigkeit spricht man, wenn ein Vertrag mit einem*r vermeintlich selbstständigen Auftragnehmer*in nach objektiven Kriterien in Wahrheit ein Arbeitsverhältnis ist. Es wird also der Anschein der Selbständigkeit vermittelt, obwohl es sich tatsächlich um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis handelt.

Hintergründe

Warum Scheinselbständigkeit streng geprüft und gehandhabt wird, hängt unmittelbar mit dem in Deutschland herausgehobenen Schutz von Arbeitnehmenden zusammen. 
Dieser Schutz von Arbeitnehmenden hat eine lange historische Entwicklung: Nach den oft unmenschlichen Arbeitsbedingungen der Industrialisierung im 19. Jahrhundert kämpften Gewerkschaften und Organisationen für grundlegende Rechte der arbeitenden Bevölkerung. Das im Grundgesetz verankerte Sozialstaatsprinzip verpflichtet den Staat, sich um die soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit der Bürger*innen zu kümmern. Daraus folgt auch, sowohl die Würde und Rechte von Arbeitnehmenden zu schützen als auch (markt-)wirtschaftlichen Erfolg an faire Bedingungen gegenüber den Beschäftigten zu koppeln – eine Philosophie, die sich von rein marktwirtschaftlichen Modellen grundlegend unterscheidet und soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellt. 

Aus dem Sozialstaatsprinzip folgt die in Deutschland sehr weit reichende Arbeits- und Sozialgesetzgebung. Arbeitnehmende genießen vielfachen Schutz (zum Beispiel Urlaubs- und Mindestlohnansprüche, Kündigungsschutz, soziale Absicherung bei Krankheit/Arbeitslosigkeit/Alter, Schutz im Falle von Unfällen, Ansprüche auf sichere Arbeitsplätze durch Arbeitsschutzgesetze, Kollektivschutz durch Tarifverträge etc.). 

Damit dieser den Beschäftigten zu gewährende Schutz nicht ausgehöhlt wird, dürfen Personen nicht scheinselbständig beschäftigt werden.

Grundsätze

Es unterliegt nicht der freien Entscheidung der Auftrag- bzw. Arbeitgebenden, ob eine mitarbeitende Person im Anstellungs- oder Auftragsverhältnis tätig wird. Es gibt sowohl eine Vielzahl von Gesetzen (§ 611a Abs. 1 BGB, § 7 Abs. 1 SGB IV), die definieren, wann jemand als Arbeitnehmer*in einzustufen ist, als auch eine Reihe von Grundsätzen und Kriterien zur Abgrenzung, die von der Rechtsprechung, vor allem des Bundessozialgerichts, entwickelt worden sind.

Wenn folgende Kriterien vorliegen, ist von einer persönlich abhängigen und somit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auszugehen:

  • Weisungsgebundenheit hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung
  • Eingliederung in den Betrieb, also die Arbeitsorganisation des*der Weisungsgebenden

Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vor allem durch eigenes unternehmerisches Risiko, häufig das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet (ständige Rechtsprechung, u.a. Bundessozialgericht Urteil vom 04.06.2019, B 12 R 12/18 R).

Ob jemand also beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung im konkreten Einzelfall prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (ständige Rechtsprechung, u.a. Bundessozialgericht Urteil vom 04.06.2019, B 12 R 12/18 R).

Welche Merkmale überwiegen, ist objektiv in einer Gesamtabwägung aller maßgeblichen Kriterien für jeden Einzelfall zu bestimmen. Wie der Vertrag bezeichnet wird, ist allenfalls ein Indiz, denn letztlich spielt die Bezeichnung keine Rolle (so auch in § 611a Abs. 1 S. 5 BGB), wenn die tatsächlichen Verhältnisse bzw. das Gesamtbild ergeben, dass die Merkmale eines Arbeitsverhältnisses überwiegen.

Es ist also nicht möglich, sich als Arbeit- bzw. Auftraggeber*in dadurch zu schützen, indem der Vertrag z.B. als „Auftrag“, „Honorarvertrag“ oder „Werkvertrag“ bezeichnet ist. Und es schützt auch nicht vor der Feststellung der Scheinselbständigkeit, wenn beide Vertragspartner*innen fest davon ausgehen, dass es sich um eine freie Beschäftigung handelt. 

Wenn also bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung die objektiven Merkmale einer abhängigen Beschäftigung überwiegen, handelt es sich um eine scheinselbständige Tätigkeit, also ein Arbeitsverhältnis, auch wenn der Vertrag als Auftrag, Honorar- oder Werkvertrag bezeichnet ist und die Vertragsschließenden davon ggf. auch ausgehen. Und das bedeutet auch, dass es sich ab Beginn des Beschäftigungsverhältnisses um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung handelt, für die Sozialversicherungsbeiträge abzuführen sind.

Risiken scheinselbständiger Beschäftigungsverhältnisse

Leider sind die Risiken bei einer fehlerhaft getroffenen Einschätzung insbesondere für die Auftrag-/Arbeitgeber*innen sehr groß: Denn im Falle einer nachträglichen Feststellung des Vorliegens von Scheinselbständigkeit durch Sozialversicherungsträger oder Finanzamt müssen durch den/die Arbeitgeber*in sämtliche Sozialversicherungsbeiträge für Kranken- und Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung nachgezahlt werden, und zwar sowohl die Anteile für Arbeitnehmer*in als auch Arbeitgeber*in. Darüber hinaus haftet der/die Arbeitgeber*in auch für die nicht abgeführte Lohnsteuer, Kirchensteuer und Soli. Säumniszuschläge, Zinsen, Bußgelder und ggf. weitere Sanktionen treten hinzu. Die Geschäftsführung haftet in der Regel persönlich. Last but not least ist auch an (v.a. arbeitsvertragliche) Ansprüche seitens des/der Scheinselbständigen zu denken, die geltend gemacht werden könnten.

Fahrlässig wäre, nicht die notwendigen Prüfungen zu machen und auf die Hoffnung zu bauen, es werde schon gut gehen oder „Machen andere auch so“. Betriebsprüfungen durch die Rentenversicherung finden bei allen Betrieben turnusmäßig statt, die Prüfung von Scheinselbständigkeit gehört in diesem Zuge zum Standardrepertoire.

Gründe genug also, um Vorsorge zu treffen, damit ein solcher Fall nicht eintritt.

Kriterien und Merkmale von Selbständigkeit und Scheinselbständigkeit

Tätigkeitsbezogene Merkmale / Arbeitsleistung und Umstände

KriterienMerkmale (echter) SelbständigkeitMerkmale, die für Scheinselbständigkeit sprechen
Weisungsfreiheit/ 
-gebundenheit
Volle Entscheidungsfreiheit über Arbeitsausführung;
keine Reporting-Pflichten
Weisungsabhängigkeit vom Auftraggebenden;
Reporting-Pflichten 
ArbeitsorganisationFreie Gestaltung von Arbeitszeit und -ort;
keine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des*der Auftraggeber*in
Vorgabe durch Auftraggeber*in, wann und wo gearbeitet wird;
Termine und Meetings sind vorgegeben und die Teilnahme Verpflichtung (Eingliederung in die Arbeitsorganisation des*der Auftraggeber*in);
Vereinbarung von Erreichbarkeitszeiten oder andere zeitbestimmende Vorgaben durch Auftraggeber*in
Integration in betriebliche AbläufeKeine Integration in BetriebsabläufeIntegration ins Unternehmen, z.B. Arbeitsplatz, Visitenkarte, etc.; 
Absprache von Abwesenheiten mit Mitarbeitenden bzw. Mitteilungspflichten bei Abwesenheiten
VergütungHäufig: erfolgsbasierte Vergütung / Pauschalzahlungen / Vergütung liegt über Stundensätzen von Angestellten, die vergleichbare Tätigkeiten erbringenGgf. regelmäßige Vergütung oder sogar fixe Vergütung wie beim Gehalt / Stundensätze ähnlich wie bei Angestellten in vergleichbarer Position

 

Personenbezogene Merkmale

KriterienMerkmale (echter) SelbständigkeitMerkmale, die für Scheinselbständigkeit sprechen
Auftraggeber*innenArbeitet für verschiedene Auftraggeber*innen. 
Das ist nur zu bejahen, wenn die Einkünfte beim einzelnen Auftraggebenden unter 5/6 der Gesamteinkünfte bleiben. 
-> keine persönliche Abhängigkeit [1]
Im Wesentlichen nur für eine*n Auftraggeber*in tätig, das heißt mindestens 5/6 der Einkünfte stammen aus diesem Verhältnis 
-> persönliche Abhängigkeit
BetriebsmittelEigene Arbeitsmittel und Infrastruktur (eigene Büroräume, IT, Geschäftsausstattung, ggf. Fahrzeug etc.)Nutzung der Betriebsmittel des*der Auftraggeber*in (IT, Arbeitsplatz, Telefon)
Wirtschaftliches RisikoTrägt vollständiges unternehmerisches RisikoWirtschaftliches Risiko liegt häufig weitgehend beim Auftraggebenden
AußenauftrittEigener unternehmerischer Auftritt nach außen (Webseite, Werbung, Briefpapier, Logo etc.)U.U. fehlt der eigene unternehmerische Auftritt nach außen
VertretungsmöglichkeitHäufig: Recht auf Vertretung durch DritteKeine Vertretungsmöglichkeit
Soziale AbsicherungVersicherungen gegen Krankheit, Unfall, eigene Vorsorge für das Alter 
BerufshaftpflichtversicherungEs sollte in den meisten Fällen eine Berufshaftpflichtversicherung bestehen. 
Gesellschaftsform / Form der Berufsausübung

Nicht zwingend, aber ein Indiz für echte Selbständigkeit: 

  • Firma in Gesellschaftsform (GbR, GmbH etc.)
  • Vorliegen einer Gewerbeanmeldung 
  • oder: selbständig ausgeübte klassisch freiberufliche Tätigkeit iSd § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
  • bei Künstler*innen: KSK-Mitgliedschaft als selbständige*r Künstler*in
 
MitarbeitendeNicht zwingend, aber häufig: eigene Mitarbeitende 

 

[1] Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es auch die seltenen Fälle der Selbständigen mit nur einem*r Auftraggebenden gibt, beispielsweise Handels- oder Versicherungsvertreter*innen nur eines Unternehmens. Das wird im Rahmen dieses Leitfadens nicht behandelt, weil diese besondere Konstellation für den behandelten Kultur-/Kunstbereich kaum vorstellbar ist und als solche immer gesondert zu klären ist, da dann zwingend auch eine Rentenversicherungspflicht für den*die Selbständige*n und somit Meldepflicht bei der DRV besteht. 

Prüfung und Dokumentation des Einzelfalls

Prüfung

Es ist immer jeder Einzelfall gesondert zu betrachten und zu prüfen.

Ausnahme: Wenn ein offensichtlich ganz unproblematischer Fall vorliegt (z.B. die Beauftragung einer Steuerberatung mit der Erstellung von Steuererklärungen, des Handwerkerbetriebs mit der Renovierung der Büroräume, des*der Fotografin mit der Erstellung von Teamfotos).

Bei der Prüfung sind nacheinander sorgfältig in Blick zu nehmen:

  • Die konkrete Arbeitsleistung und Umstände, insbesondere hinsichtlich Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb. Jegliche Form von Weisungsgebundenheit und Einbindung in die Unternehmensorganisation spricht für eine Scheinselbständigkeit.
  • Die Person, die die Leistung erbringen soll, also ob sie tatsächlich die Kriterien einer echten Selbständigkeit erfüllt.

Nur wenn sowohl bei den tatsächlichen Verhältnissen der (geplanten) Arbeitsleistung die Gesamtwürdigung aller Kriterien für eine selbständige Ausübung spricht als auch die Person die Voraussetzungen für Selbständigkeit erfüllt, darf ein entsprechender freier Vertrag geschlossen werden. 

Bei den folgenden Konstellationen ist zusätzlich zu den genannten Kriterien besondere Vorsicht geboten:

  • Wenn mit derselben Person eine abhängige Beschäftigung bestanden hat. 
    -> Wodurch unterscheidet sich die jetzt beabsichtigte Tätigkeit?
  • Wenn es beim Auftraggebenden abhängig beschäftigte Mitarbeiter*innen gibt, die inhaltlich gleichartige Tätigkeiten ausüben.

Wenn die Gesamtwürdigung ergibt, dass der/die Einzelne weisungsgebunden und/oder in das Unternehmen des*der Auftraggebenden eingegliedert ist und/oder die persönlichen Voraussetzungen für Selbständigkeit nicht erfüllt, ist ein Arbeitsvertrag zu schließen.

Für die Gesamtwürdigung aller Tätigkeitsmerkmale ist es sehr sinnvoll, den Fragebogen zur Beschreibung des Auftragsverhältnisses der DRV (Deutsche Rentenversicherung) in die Prüfung mit einzubeziehen.

Für die Prüfung, ob der*die Vertragspartner*in die persönlichen Voraussetzungen für den Status „Selbständigkeit“ erfüllt, ist es empfehlenswert, dies in Form eines Fragebogens zu machen, in dem der*die Vertragspartner*in Erklärungen macht und zusätzlich Belege beibringt. 

Beispiele für Fragebogen, Checkliste zur Einschätzung und Mustervertrag (Haufe)

Im Kulturbereich entfaltet auch der Abgrenzungskatalog für im Bereich Theater, Orchester, Rundfunk- und Fernsehanbieter, Film- und Fernsehproduktionen tätige Personen der GKV-Spitzenverbände Relevanz (allerdings insbesondere für künstlerisch Mitwirkende), an den sich Betriebsprüfer*innen orientieren.

Bleiben nach der vorgenommenen Gesamtwürdigung Zweifel bestehen, gibt es die Möglichkeit des Statusfeststellungsverfahren (s.u.).

Dokumentation

Kommt man im Rahmen der Gesamtwürdigung zu dem Ergebnis, dass echte Selbständigkeit vorliegt und ein freier Vertrag geschlossen werden kann, sollten die geprüften Umstände und die Begründungen für die Einordnung für die eigenen Unterlagen unbedingt dokumentiert werden, um Nachfragen im Rahmen von Betriebsprüfungen sicher und argumentativ begegnen zu können. Zur Dokumentation zählen auch relevante Unterlagen, Verträge, Rechnungen, Erklärungen, Beleg(-kopien) von z.B. Berufshaftpflichtversicherung, Gewerbeanmeldung, KSK-Mitgliedschaft, Nachweise eigener Kranken- und Altersabsicherung, Liste anderer Auftraggeber*innen.

Regelmäßige Überprüfung

Gerade bei längeren oder wiederkehrenden Auftragsverhältnissen sind die eigenen Überprüfungen periodisch durchzuführen, um sicherzustellen, dass die Voraussetzungen für die Beauftragung im Rahmen eines freien Vertrages immer noch vorliegen.

Beleuchtung einzelner Beispielsfälle nicht-künstlerischer 
Tätigkeit

Produktionsleitung/Projektleitung/Veranstaltungsmanagement

In den meisten Fällen wird man bei der Prüfung zum Ergebnis kommen, dass einzelne Personen mit diesen Funktionen in den Betrieb eingegliedert und weisungsgebunden sind und sein sollen. Wenn die Tätigkeit stetig ausgeübt wird, spricht das immer für eine entsprechende Einbindung.

Bei rein einzelprojektgebundenen Aufträgen kann es sich anders verhalten, z.B. wenn eine Produktionsagentur professionell und unter Einsatz der eigenen Betriebsmittel (Infrastruktur, Büro, Mitarbeitende) und nicht weisungsgebunden das Management von Veranstaltungen und Produktionen übernimmt. So steuern im Bereich der Freien Darstellenden Künste häufig so genannte „Creative Producer“ unterschiedliche Projekte für mehrere Auftraggebende. Bei solch hochprofessionell agierenden Produktionsagenturen, die ausschließlich aus ihrer eigenen betrieblichen Infrastruktur arbeiten, Arbeitszeiten und -orte selbst bestimmen, häufig mit anderen in Freiberufler-Gesellschaften verbunden sind und die sowohl einen eigenständigen Marktauftritt haben als auch ihr eigenes wirtschaftliches Risiko tragen, führt die Überprüfung sicher in diesen Fällen auch zu dem Ergebnis, dass diese Personen selbständig tätig sind, vor allem also weder in den Betrieb der Auftraggebenden eingebunden sind noch weisungsgebunden tätig werden.

Auch hier gilt: Wenn die „echte Selbständigkeit“ im konkreten Fall nicht zweifelsfrei bejaht werden kann, sollte immer bei der Rentenversicherung die Prüfung des Status für den konkreten Fall beantragt werden.

Produktionsassistenz/Regieassistenz/Assistenz

Schon aufgrund der Begrifflichkeit ist eine selbständige Tätigkeit von vornherein ausgeschlossen. Der Begriff „Assistenz“ bedeutet immer die Einbindung in die betriebliche Organisation des Arbeitgebers und die Weisungsgebundenheit an die Person oder Organisation, für die man Assistenzleistungen erbringt.

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit/Marketing/Redaktion

Auch hier kommt es vor allem auf die Eingliederung in den Betrieb und die Weisungsgebundenheit des Einzelfalls an. Bei einer auf Dauer angelegten Funktion der Pressesprecherin im Produktionshaus mit festem Arbeitsplatz und Einbindung in die Betriebsstruktur stellt sich also gar nicht die Frage: Die Beschäftigung kann nur im Rahmen eines Arbeitsvertrages erfolgen.

Der Abgrenzungskatalog für im Bereich Theater, Orchester, Rundfunk- und Fernsehanbieter, Film- und Fernsehproduktionen tätige Personen der GKV-Spitzenverbände ordnet „alle externen in der Werbung/Öffentlichkeitsarbeit für einen Theater unter eigener Firma Tätigen grundsätzlich (als) selbständig (ein), das gelte insbesondere für Fotografen, PR-Fachleute und Grafik-Designer*innen“. Im Ergebnis bedeutet das aber nichts anderes: Für die Anwendung kommt es eben genau auf die Prüfung der Begriffe „extern“ (keine Eingliederung, weisungsfrei) und „eigene Firma“ (Vorliegen einer echten Selbständigkeit) an.

Übersetzungen/Textaufträge

Wenn nur einzelne Übersetzungs- oder Textaufträge vergeben werden (z.B. für eine Publikation oder Programmheft) und die Person aus ihrer eigenen betrieblichen Organisation sowie weisungsfrei arbeitet und alle Voraussetzungen der eigenen Selbständigkeit erfüllt, kann ein Auftrag erteilt bzw. freier Vertrag geschlossen werden.

Moderator*innen, Trainer*innen

Moderator*innen von Veranstaltungen, Trainer*innen für Schulungen etc. sind klassischerweise Freiberufler*innen und werden für Einzelformate beauftragt. Dementsprechend sind sie in aller Regel nicht in betriebliche Abläufe eingegliedert und arbeiten weisungsfrei, darüber hinaus wird die Gesamttätigkeit häufig auch vorwiegend durch den schöpferischen Eigenanteil bestimmt. In solchen Fällen ist die Verpflichtung mittels Auftrag / freiem Vertrag unproblematisch möglich. 

(Lohn-)Buchhaltung/Finanzverwaltung

In aller Regel in den Betrieb eingegliedert, weisungsgebunden und damit zwingend anzustellen. Nur in den Fällen, in denen diese verwaltenden Tätigkeiten ausgelagert werden, z.B. an ein Steuerbüro oder eine Agentur für Kulturprojektsteuerung, kann eine echte Selbständigkeit angenommen werden.

Achtung:
Ein freies Beschäftigungsverhältnis alleine damit zu begründen, die ausübende Person sei Angehörige*r eines freien Berufs, also z.B. Journalistin, ist nicht ausreichend (auch der für Freiberufler*innen maßgebliche § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erklärt nur solche Einkünfte von Angehörigen freier Berufe für solche aus selbständiger Tätigkeit, bei denen die Berufstätigkeit auch selbständig ausgeübt wird). Maßgeblich ist auch hier die für den Einzelfall vorzunehmende Gesamtbetrachtung, bei der geprüft werden muss, ob der/die Einzelne weisungsgebunden oder in das Unternehmen des Auftraggebenden eingegliedert und dadurch Arbeitnehmer*in ist.

In Zweifelsfällen: Möglichkeit des Statusfeststellungsverfahrens

Wenn nach sorgfältiger Prüfung immer noch Zweifel bestehen, ob es sich bei der Leistung ggf. um eine Scheinselbständigkeit handeln könnte, gibt es weitere Möglichkeiten:

  • Praktisch und absolut rechtssicher: Abschluss eines Arbeitsvertrages
  • Klärung durch Hinzuziehung externen Rats (Steuerberatung, Rechtsanwält*in)
  • Verbindliche Klärung der Frage, ob es sich um eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit handelt, im Rahmen eines so genannten Statusfeststellungsverfahrens von der DRV (Deutschen Rentenversicherung).

Zuständig für das Statusfeststellungsverfahren ist die Clearing-Stelle der DRV. Anträge können sowohl vom Auftrag-/Arbeitgebenden als auch vom*von der (Schein-)Selbständigen gestellt werden, die Entscheidung der DRV schafft für beide Seiten rechtliche Sicherheit. 
Das Verfahren kann seit 2022 auch bereits vor Aufnahme der Tätigkeit durchgeführt werden, wenn ein entsprechender Vertrag bereits geschlossen wurde und die Umstände der Tätigkeitserbringung beschrieben werden können. Im letzteren Fall trifft die DRV eine so genannte Prognoseentscheidung, der Status des*der Erwerbstätigen für das später entsprechend der vorherigen Beschreibung gelebte Auftragsverhältnis wird dann bindend festgestellt. 

Erforderlich für die Statusfeststellung durch die DRV sind die Stellung eines Antrags und die Beschreibung des Auftragsverhältnisses mittels dafür zur Verfügung gestellten Formularen. Der zugrunde liegende Vertrag ist beizufügen. 

Vertragsschluss mit Selbständigen / tatsächliche Durchführung

Egal zu welchem Ergebnis die vorgenommene Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse geführt hat, der dann folgende Vertrag und die Leistungserbringung sollte dazu passen.
Auch wenn wie oben gesagt dem freien Vertrag im Rahmen einer Betriebsprüfung lediglich Indizwirkung zukommt, sollte er doch unbedingt die Freiberuflichkeit ausdrücken, also vor allem, dass hier zwei freie Unternehmer*innen eine Leistung vereinbaren und der*die Beauftragte diese im Rahmen seiner*ihrer eigenen Geschäftstätigkeit, nicht weisungsgebunden und zeitlich und örtlich unabhängig durchführt.
Das Verhältnis muss in der Umsetzung selbstverständlich auch entsprechend gelebt werden, dazu würden z.B. nicht die Einbindung in interne Kommunikationsstrukturen (z.B. Meetings), Firmen-E-Mail-Adresse, Arbeitsplatz beim Auftraggebenden, Berichtspflichten etc. passen.

Das Thema Vertragsgestaltung wird an anderer Stelle im Rahmen von dieser Wissensplattform behandelt, dort findet sich u.a. auch eine Verlinkung zu einem Mustervertrag für freie Mitarbeit (IHK Frankfurt), der zur Orientierung dienen kann.

Fazit

Die Wahl zwischen Festanstellung und Honorarvertrag erfordert eine einzelfallbezogene, sorgfältige Prüfung und Gesamtabwägung der tatsächlichen Verhältnisse. 
Wenn Zweifel verbleiben, die nicht z.B. durch das Statusfeststellungsverfahren geklärt werden sollen, ist eine Festanstellung die sicherere Wahl. 
Eine starke Ressource ist die Flexibilität, Beschäftigungsmodelle auch anzupassen, wenn das nötig ist. 
Wenn man diese Prüfung und Abwägung (regelmäßig) durchführt und die Vertragsbeziehungen dementsprechend gestaltet, werden die rechtlichen und finanziellen Risiken minimiert und letztlich faire Beschäftigungsbedingungen für alle Beteiligten geschaffen. Auf diese Weise können Akteur*innen im Kulturbetrieb sowohl von der Flexibilität freier Mitarbeit als auch von der Stabilität festen Personals profitieren.

Anhang: Checkliste persönliche Voraussetzungen Selbständigkeit

Es empfiehlt sich, die folgenden Punkte zur internen Statusprüfung von Auftragnehmenden vor Vertragsschluss mittels eines Fragebogens abzufragen. 

  • Name/Kontaktdaten/Webseite/Betriebs-/Unternehmenssitz
  • Nachweise der selbständigen Tätigkeit (Gewerbeanmeldung, KSK-Mitgliedschaft, Berufsverband etc.)
  • Liste weiterer Auftraggeber im Kalenderjahr
  • Schriftliche Bestätigung, dass mit der Beauftragung nicht mehr als 5/6 der gesamten Jahreseinkünfte im Kalenderjahr erzielt werden
  • Bestehen einer Berufshaftpflichtversicherung (Nachweis)
  • Bestehen einer privaten oder freiwillig gesetzlichen Krankenversicherung/Altersvorsorge (Nachweis)
  • Ist schon einmal ein Statusfeststellungsverfahren für die betreffende Tätigkeit erfolgt? (Nachweis)
  • Besteht eine Gesellschaftsform? (GbR, GmbH etc.)
  • Werden sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigt?
  • Einsatz eigener Betriebsmittel für den Auftrag?
  • Wurde oder wird ein Existenzgründungszuschuss bezogen?
  • Steuernummer/USt-ID

Wie beim Personalfragebogen auch ist vom Auftragnehmenden mit der Unterschrift unter den Fragebogen zu versichern, dass die Angaben wahrheitsgemäß erfolgt sind und Änderungen in den Verhältnissen, die zu einer anderen versicherungsrechtlichen Beurteilung führen könnten, umgehend mitgeteilt werden. Die einzelnen Nachweise sind mit dafür geeigneten Dokumenten zu belegen.

Hinweis:
Die genannten Punkte betreffen nur die persönlichen Merkmale, also ob die Person tatsächlich die Kriterien einer echten Selbständigkeit erfüllt. Die anderen Kriterien und Merkmale (konkrete Arbeitsleistung und Umstände, insbesondere hinsichtlich Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb) sind gesondert durch den*die Auftraggebenden für den jeweiligen Einzelfall in einer Gesamtwürdigung zu prüfen.