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Soziale Sicherung Solo-Selbstständiger und Hybriderwerbstätiger

Wie sieht die Lage der sozialen Absicherung von Solo-Selbstständigen und Hybriderwerbstätigen in den darstellenden Künsten aus?

Die hier aufgeführten Ergebnisse stammen aus der quantitativen Studie Unterm Durchschnitt (2023) sowie der qualitativen Interviewstudie Im freien Fall (2022).

Über Solo-Selbstständigkeit und Hybridität

Viele der Akteur*innen bewegen sich nicht nur in den Freien Darstellenden Künsten oder nur im Stadt- und Staatstheater, sie kombinieren in ihren Erwerbsbiografien die Erwerbsstatus „(Solo-)Selbstständigkeit“ und „abhängige Beschäftigung“ synchron wie seriell. Folgende Kombinationsformen sind typisch in den darstellenden Künsten:

  1. Solo-Selbstständigkeit mit nur einer Tätigkeitsart in den Freien Darstellenden Künsten,
  2. Mehrfache Solo-Selbstständigkeit, die verschiedene künstlerische oder nichtkünstlerische Tätigkeiten verbindet,
  3. Synchrone Hybriderwerbstätigkeit, z. B. durch die Kombination einer Teilzeitstelle mit parallel laufender Solo-Selbstständigkeit,
  4. Serielle Hybriderwerbstätigkeit, bei der sich kurzfristig abhängige oder unständige Beschäftigung abwechseln, z. B. durch Gastverträge an Stadttheatern und soloselbstständige Tätigkeit in den Freien Darstellenden Künsten.

Links

Qualitative Interviewstudie (erschienen 2022)
Im freien Fall

Quantitative Umfrage (erschienen 2023)
Unterm Durchschnitt

Einkommen und Vorsorgefähigkeit

  • Das durchschnittliche Nettoeinkommen (Erwerbseinkommen sowie Transferzahlungen wie ALG-1, Grundsicherung etc.) der Befragten lag im Jahr 2021 bei rund 20.500 Euro. (Hinweis: Die Höhe der Einkommen steht in Zusammenhang mit den zusätzlich aufgesetzten Förderprogrammen von NEUSTART KULTUR und weiteren Coronahilfen.)
  • Frauen hatten 2021 rund 27,6 Prozent weniger Einkommen zur Verfügung als Männer.
  • Die geringen Durchschnittseinkommen der Befragten werden nicht durch die Hinzuverdienste der Partner*innen ausgeglichen.
  • Im Lebensverlauf liegen die durchschnittlichen Bruttoerwerbseinkommen pro Jahr mit etwas mehr als 12.000 Euro sogar noch geringer als die Nettoeinkommen von 2021. Auch hier ist die Einkommenssituation für Frauen deutlich schlechter als für Männer
  • Es gibt kaum Unterschiede in der Einkommenssituation zwischen Solo-Selbstständigen und Hybriderwerbstätigen, auch wenn Letztere eine etwas höhere Rente erwarten. Mehrfach Solo-Selbstständige haben noch geringere Einkommen- und Rentenerwartungen.
  • Im Schnitt liegt der der Anteil des Einkommens aus den darstellenden Künsten bei 71 Prozent.

Alter

  • Im Durchschnitt liegen die subjektiven Rentenerwartungen bei rund 780 Euro; bei Frauen 674 Euro, bei Männern 913 Euro.
  • Die monatlichen Rentenbeiträge liegen weit unter dem Regelbeitrag für versicherungspflichtige Selbstständige. (Hinweis: Wird der sogenannte Regelbeitrag für versicherungspflichtige Selbstständige (Westdeutschland) in Höhe von 611,94 Euro pro Monat [über 45 Jahre] gezahlt, münden [diese] in einer Monatsrente von 1.645,03 Euro (Basten et. al, 2023)
  • Die geleisteten Rentenversicherungsbeiträge aller Befragten lassen kaum eine Rente über dem Grundsicherungsniveau erwarten.
  • Die Befragten aus den darstellenden Künsten machen sich bezüglich der Altersvorsorge im Vergleich zum Bundesdurchschnitt aller Erwerbstätigen deutlich mehr Sorgen.

Erwerbslosigkeit

  • Zwei Drittel der befragten Solo-Selbstständigen waren 2021 von Auftragslosigkeit betroffen. Bei der Hälfte der Betroffen hat sich diese Phase durchschnittlich auf rund 5 Monate (20 Wochen) summiert.
  • Drei Viertel der Befragten sind bei Auftragslosigkeit darauf angewiesen das eigene angesparte Kapital aufzubrauchen.
  • Das Absicherungsniveau gegen Arbeitslosigkeit der Befragten ist gering. Nur 6 Prozent der befragten Solo-Selbstständigen sind arbeitslosenversichert. Hybriderwerbstätige sind aufgrund ihrer abhängigen Beschäftigung eher arbeitslosenversichert, aber auch unter den abhängig Beschäftigten sind es nur 36 Prozent.
  • Der Durchschnittsbeitrag den Hybriderwerbstätige für diese Form der Absicherung entrichten, liegt zwischen rund 40 und 60 Euro pro Monat.
  • Hybriderwerbstätige, die als Gäste an Stadt- und Staatstheatern arbeiten, ist es aufgrund ihrer tageweise Anstellung fast unmöglich die erforderlichen Anwartschaftszeiten für einen Anspruch auf AGL-1 zu erreichen.

Krankheit, Pflege und Unfall

  • Krankenversichert sind 97,3 Prozent der Befragten, d.h. die Probleme bestehen nicht im grundsätzlichen Absicherungsstatus, sondern wenn lange Krankheitsphasen vorliegen oder bei Unfällen.
  • Im Jahr 2021 waren Solo-Selbstständige und Hybriderwerbstätige nach eigenen Angaben im Durchschnitt 7,2 Tage krank.
  • Solo-Selbstständige arbeiten an den angegebenen Krankheitstagen im Durchschnitt 2,3 bis 3,3 Tage. Das sind etwa ein Drittel der Tage, an denen sie krank sind.
  • Etwa ein Drittel besitzt eine Unfallversicherung mit allerdings geringen monatlichen Beiträgen zwischen 13 und 15 Euro.
  • Eine Berufsunfähigkeitsversicherung besitzen ca. 17 Prozent der (mehrfach) Solo-Selbstständigen und Hybriderwerbstätigen, eine Krankentagegeldversicherung ca. 10,7 Prozent.
  • Die jeweils monatlich geleisteten Beträge sind jedoch für die Absicherung einer ausreichenden Entgeltfortzahlung viel zu gering.

Elternschaft

  • Die Elternzeit ist für viele Erwerbstätige in den darstellenden Künsten finanziell problematisch. Die Regelung der Bemessungsgrundlage für das Elterngeld können sich ungünstig auf dessen Höhe auswirken.
  • Nach der Geburt können ebenfalls finanzielle Nachteile entstehen, durch ein reduziertes Arbeitspensum mit erhöhten Betreuungskosten aufgrund der untypischen Arbeitszeiten in den darstellenden Künsten. Diese finanzielle Notlage führt zu einer schlechteren sozialen Sicherung.

Barrieren

  • Eine große Zahl der Akteur*innen in den darstellenden Künsten ist mit verschiedenen Barrieren konfrontiert beim Zugang zur sozialen Sicherung. Diese Barrieren entstehen durch gesamtgesellschaftliche Diskriminierungsstrukturen, wie Rassismus, Sexismus, Klassismus, Ableismus, Ageismus oder die Ost-West-Differenz
  • Für Menschen, die eins oder mehrere Diskriminierungsmerkmale aufweisen, verschärfen sich die finanziellen und absicherungsbezogenen Problemlagen der bestehenden Sozialversicherungssysteme.
  • Über die Lebenshintergründe und Situationen hinweg lassen sich die Barrieren, die die soziale Sicherung erschweren, in zwei Kategorien einteilen: in solche, die entweder die Kommunikation mit Behörden bzw. den Zugang zu sozialstaatlicher Versorgung erschweren, und solche, die dafür sorgen, dass das eigene Einkommen temporär oder langfristig ausfällt.

Qualifizierung

  • Akteur*innen in den darstellenden Künsten fühlen sich hinsichtlich der überaus komplexen Sozialversicherungssysteme nicht ausreichend informiert. Diese Informationslücke wird bisher auch in den Ausbildungsinstitutionen nicht ausreichend geschlossen.
  • Aufseiten der Sozialversicherungsträger und Behörden herrschen Wissenslücken über die Besonderheiten atypischer Erwerbsstatus vor.
  • Der Bedarf nach Beratung und Qualifizierung zur sozialen Absicherung ist hoch und die Notwendigkeit, die Erwerbstätigen zu informieren und zu beraten, ist besonders bei der Altersvorsorge gegeben.