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Betriebsökologie

Warum Betriebsökologie? (Auswirkungen der Klimakrise, Betroffenheit der Kultur), politische Ziele und kulturpolitische Entwicklungen, Handlungsfelder der Betriebsökologie

 

Stand: November 2023

Herkunft und Entwicklung der Nachhaltigkeit

Die begriffliche Herkunft des Wortes der (ökologischen) Nachhaltigkeit* geht auf das 17. Jahrhundert zurück. Dort sprach Hans Carl von Carlowitz, sächsischer Oberberghauptmann des Erzgebirges, über die langfristige, „nachhaltende” Erhaltung seines Waldes. Gewährleisten soll dies ein Gleichgewicht zwischen Einschlag und Wiederaufforstung. Später wurde im 20. Jahrhundert im sogenannten Brundtland-Bericht (1987) eine nachhaltige Entwicklung wie folgt definiert: Als „Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen”. Zusammenfassend geht es bei der ökologischen Nachhaltigkeit also darum, natürliche Ressourcen nur in dem Ausmaß zu nutzen, dass ein Nachwachsen möglich ist. Dies würde bedeuten, dass die Nachfrage der Menschheit (nach natürlichen Ressourcen) das Angebot der Erde (Biokapazität) deckt. Stand heute ist es so, dass das Angebot die Nachfrage bei weitem übersteigt. Das wird mit dem Earth Overshoot Day veranschaulicht, der den Tag im Jahr markiert, an dem die Nachfrage das Angebot übersteigt. Dies fand im Jahr 1971 zum ersten Mal statt. Das nachfolgende Bild zeigt die Entwicklung in den letzten Jahren bis zum Jahr 2023.

*Ganzheitlich betrachtet besteht die Nachhaltigkeit aus den Säulen ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit. Diese Seiten fokussieren sich rein auf den ökologischen Aspekt. Dies bedeutet nicht, dass die anderen Aspekte nicht genauso wichtig und immer mitzudenken sind.

In der Grafik ist der Overshoot Day im Zeitablauf von 1971 bis 2023 zu sehen.

Der Earth Overshoot Day wird vom Global Footprint Network, einer internationalen Forschungsorganisation, berechnet. Im Jahr 2023 fiel der Earth Overshoot Day auf den 2. August.

Verortung der Betriebsökologie

Der Terminus Betriebsökologie ist, wie der Name schon andeutet, im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit verortet. Der betriebsökologische Ansatz betrachtet dabei alle Handlungsfelder mit ökologischen Auswirkungen, also alles was das Betreiben einer Spielstätte, eines Festivals usw. betrifft. Diese Handlungsfelder sind u.a. Energie, Wasser & Abfall, Beschaffung, Mobilität, Gastronomie und Kommunikation. Auf sie wird hier genauer eingegangen.

Zum Stand der Klimakrise

Im Jahr 1972 erschien der Bericht „Die Grenzen des Wachstums” des Club of Rome, ein Zusammenschluss von Expert*innen aus verschiedenen Disziplinen und Ländern. Es war der erste umfassende, wissenschaftlich fundierte Bericht zur Zukunft der Erde. Er warnte vor einer nur auf Wachstum ausgelegten Welt. Heute, 51 Jahre später, sind dieser Bericht und die Thesen für einen gesellschaftlichen Wandel zur Umkehr der Klimakrise relevanter denn je. Denn die Klimakrise ist bereits so fortgeschritten, dass es einer grundlegenden, alles umfassenden und gesamtgesellschaftlichen Transformation bedarf. Die Dringlichkeit ist auch in der deutschen Politik zu erkennen: Nicht umsonst wird das Wort Transformation ganze 42 Mal im Koalitionsvertrag der Bundesregierung 2021 genannt. Und auch das World Economic Forum hat zum dritten Mal in der Reihe das Versäumnis, den Klimawandel einzudämmen, zur größten Bedrohung der Menschheit im nächsten Jahrzehnt erklärt. Warum? Weil die Lebensstile der modernen Gesellschaften im globalen Norden, ihr Produktions- und Konsumverhalten zu einem massiv erhöhten CO2-Ausstoß führen. Aktuell verursachen allein 10 Industriestaaten ganze zwei Drittel der Gesamtemissionen an CO2. Das folgende Bild zeigt, welche das sind. Deutschland steht dabei auf Platz sieben.

In einem Kreisdiagramm ist dargestellt, welche 10 Länder mit welchen Anteilen die höchsten C2-Emissionen weltweit verursachen.

Die Top 10 Länder mit den höchsten CO2-Emissionen weltweit.

Der globale CO2-Ausstoß ist weitaus höher, als das Ökosystem der Erde es aufnehmen kann. Die Folge ist, dass sich die Erde konstant erwärmt. Der Klimaforschers Ed Hawkins veröffentlicht u.a. die Stripes of Europe, die die jährliche Erderwärmung Europas mit nur einem Blick veranschaulicht.

Zu sehen sind farbige Säulen nebeneinander. Von links nach rechts ändert sich die Farbe der Balken überwiegend von Blau- zu Rottönen.

Die Stripes of Europe von Ed Hawkins zeigen die durchschnittliche Erwärmung Europas in den Jahren 1850 bis 2022.

Auswirkungen der Klimakrise

Die Folgen des globalen Temperaturanstiegs sind vielfältig. Die Wahrscheinlichkeit extremer Wetterereignisse im Zusammenhang mit Hitzewellen, Dürren, Regenfällen, Stürmen oder Wirbelstürmen nimmt zu. Sie kommen häufiger vor und sind auch jeweils intensiver. Sogenannte Jahrhundertfeuer oder Jahrhundertfluten treten nun öfter als ein Mal im Jahrhundert auf.
Dies gefährdet nicht nur unseren eigenen Lebensraum, sondern auch den der Flora und Fauna. Die Folgen sind Artensterben und der drastische Verlust von Biodiversität. Zwischen den Jahren 1970 und 2016 sind 69% der Bestände von Säugetieren, Vögeln, Fischen, Reptilien und Amphibien ausgestorben (s. Living Planet Report, WWF).
Außerdem schmelzen durch die extremen Temperaturen die Eisschilde und Gletscher in der Antarktis und Grönland. Auch auftauende Permafrostböden polarer Regionen und Gebirge sind bedenklich. Insgesamt führt dies nämlich dazu, dass gespeicherte Treibhausgase freigesetzt werden und der Meeresspiegel steigt. Momentan liegt der globale Gesamtanstieg bei durchschnittlich ca. 20 cm (gemessen zwischen den Jahren 1901 und 2018).
Auch unsere Ozeane sind von Hitzewellen betroffen. Dies führt zu einem Anstieg des Säuregehalts und einem gleichzeitigen Rückgang des Sauerstoffgehalts. Die Ozeane versauern, was sich negativ auf Algen, Korallenriffe und andere Organismen auswirkt.
Auf dem Land äußern sich Hitzewellen in Wald- und Buschbränden von noch nie gesehenem Ausmaß. Der Planet bewegt sich zwischen zwei Extremen: Rekorddürren und intensive Regenfälle, die oft zu Überschwemmungen führen. Und auch Europa bleibt davon nicht mehr verschont. Ernten fallen aus oder verfaulen. Viele Arten und auch Menschen verlieren ihre Heimat. Die Bandbreite an Auswirkungen lässt sich im Sonderbericht des IPCC 1,5 °C Globale Erwärmung nachlesen.

Auch die Kunst ist betroffen!

Die extremen Wetterereignisse machen auch nicht vor der Kultur halt. Viele Museen, Theater, Festivals usw. sind vermehrt davon betroffen. Sie müssen sich eine Strategie überlegen, wie sie mit den Auswirkungen des Klimawandels auf ihre Veranstaltung oder Institution umgehen. Diese Strategie wird auch Klimafolgenanpassung genannt.

Als im Jahr 2002 die Elbe deutlich über ihre Ufer trat, musste die Staatliche Kunstsammlung Dresden zahlreiche Kunstschätze vor dem Hochwasser evakuieren.

Kunstwerke in einem Museum sind teilweise von den Wänden abgehängt und lehnen an den Wänden oder wurden auf eine Sitzmöglichkeit gestellt.

Zahlreiche Kunstwerke mussten vor dem Hochwasser evakuiert werden.

Und auch das Louvre Museum in Paris blieb nicht von Hochwasser verschont. Auch hier mussten in 2006 in kürzester Zeit Kunstwerke evakuiert werden. Seitdem hat das Louvre Vorbereitungen getroffen und ein Hochwasserrisikopräventionsplan erstellt. Außerdem wurde der Bau eines Louvre Conservation Centres in Nordfrankreich in Auftrag gegeben. Das schlichte Gebäude ist optimal für die Konservierung der Kunstwerke designt. Ab sofort wechseln bis 2024 rund 250.000 Gemälde, Skulpturen, Tapisserien und archäologische Objekte dorthin. Ab 2024 werden sie “im größten Studien- und Forschungszentrum Europas” zur Verfügung stehen.

Das Louvre Conversation Centre in Liévin ist aus der Vogelperspektive zu sehen.

Der „Kunst-Bunker”: Das Louvre Conversation Centre in Liévin, Nordfrankreich

Die Smithsonian Institution in Washington, USA,  ist mit 19 Museen und Galerien der größte Museums-, Bildungs- und Forschungskomplex der Welt. 2006 verursachte eine Überflutung der National Mall in Washington, die 11 Smithsonian-Museen beherbergt, Millionen von Dollar an Schäden. Um sich besser auf zukünftige Extremwetterereignisse vorzubereiten, agiert das Smithsonian anhand eines Hochwassersimulationsplans. Damit und mit einer Notfalleinsatzzentrale ist eine strategische Abwicklung in Notfällen möglich.

Auf einem Lageplan des Smithsonian Museum sind die von Hochwasser betroffenen Stellen blau markiert..

Hochwassersimulation des Smithsonian Museums in Washington, USA

In der deutschen Berichterstattung vermehren sich die Berichte von Extremwetterereignissen auf Volks- und Musikfestivals. Es wird von Hagelstürmen, Hitzewellen und umfallenden Gegenständen wegen Stürmen oder Starkregen berichtet. Gerade bei Veranstaltungen im öffentlichen Raum, aber nicht nur dort, sind Risikokonzepte und -analysen dringend notwendig. Leitfäden wie z.B. vom Deutschen Museumsbund weisen darauf hin und vermitteln konkrete Ansätze.

Internationale und nationale politische Zielvereinbarungen

In 2000 erarbeitete eine Staatengemeinschaft von 189 Ländern die sogenannten Millenniumsentwicklungsziele (Millennium Development Goals, MDGs). Trotz einer deutlichen Verbesserung der Lebensverhältnisse von Millionen von Menschen wurden nicht alle Ziele erreicht. Um die gemeinsamen Anstrengungen fortzusetzen, verabschiedeten 196 Länder in 2015 neue globale Entwicklungsziele: Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung⁠. Die Agenda dient als ein Fahrplan für die Zukunft, mit dem weltweit ein menschenwürdiges Leben ermöglicht und dabei gleichsam die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft bewahrt werden sollen. Aus dieser Agenda entstanden die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs).

Die 17 Zwiele nachhaltiger Entwicklung sind genannt und mithilfe von Piktogrammen dargestellt.

Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung.

Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen haben sich verpflichtet, die Agenda im Rahmen einer globalen Partnerschaft und Solidarität umzusetzen. Sie wurde weitestgehend in nationale Ziele und Strategien übersetzt. Und so wurde auch die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie weiterentwickelt. Dabei legt die deutsche Bundesregierung ihren Fokus auf Bereiche wie Energie, Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft, Wohnen, Verkehr, Ernährung und Landwirtschaft.

Klimaschutzziele

Reine Klimaschutzziele wurden ebenfalls in Paris 2015 auf der Konferenz der Vereinten Nationen (englisch: United Nations, kurz: UN), auch COP21 (Conference of the Parties) genannt, beschlossen. Das sogenannte „Pariser Klimaabkommen” nimmt die unterzeichnenden 193 UN-Mitgliedsstaaten in die Pflicht, die globale Erderwärmung bis 2030 auf deutlich unter 2°C, möglichst sogar auf  1,5°C,  zu begrenzen. Der Vergleich findet gegenüber dem vorindustriellen Niveau, mit dem Referenzjahr 1990,  statt. Das Ziel des Abkommens ist, die globalen Emissionen deutlich zu verringern, um die Risiken und Folgen des Klimawandels einzudämmen. Ohne eine deutliche Emissionsminderung läuft die Erde Gefahr, sich exponentiell weiter zu erwärmen, womit sogenannte Kipppunkte überschritten werden können. Dies sind kritische Schwellenwerte, bei deren Überschreiten es zu starken und irreversiblen Veränderungen der Erde kommt.

In Deutschland führte das Deutsche Klimaschutzgesetz in 2019 erstmals dazu, dass Klimaziele Gesetzesrang erhielten. Verbindliche Klimaziele für verschiedene Sektoren aus Wirtschaft und Industrie wurden festgelegt, um die Treibhausgasemissionen Deutschlands zu reduzieren. Die Bundesregierung verpflichtete sich damit zu jährlichen CO2-Budgets. Die Novellierung in 2021 verschärfte diese Ziele. Bis 2030 sollen 65% der Treibhausgasemissionen* (im Vergleich zu 1990) reduziert werden. Außerdem ist eine Treibhausgasneutralität Deutschlands bis 2045 angestrebt. An der Neufassung in 2023 wird besonders die Möglichkeit zur flexiblen Erreichung der Klimaschutzziele kritisiert. Dies ermöglicht gerade den besonders CO2-lastigen Sektoren, dass sie ihre Ziele nicht erreichen müssen, sondern von Einsparungen anderer Bereiche profitieren können.

*laut Kyoto Protokoll werden sieben Treibhausgase (THG) berücksichtigt, die unterschiedlich auf das Klima wirken. Diese THG werden in CO2-Äquivalente (CO2e) umgerechnet. Daher wird die CO2e-Bilanz als Synonym zur Treibhausgasbilanz verwendet.

Die deutsche Kulturpolitik zieht nach

In der deutschen Kulturpolitik wurde unter der Kulturstaatsministerin Monika Grütters (im Amt Dezember 2013 bis Dezember 2021) bereits ein Meilenstein in Bezug zur Nachhaltigkeit im Kulturbereich erreicht. Das Filmförderungsgesetz (FFG) ist die Rechtsgrundlage für die Filmförderung durch die Filmförderungsanstalt (FFA) und ein wichtiges Kernstück der deutschen Filmförderung. Das FFG trat erstmals 2017 in Kraft und wird zum Jahresbeginn 2024 erneuert. Es verpflichtet unter anderem zu fairen Arbeitsbedingungen oder die Belange von Menschen mit Behinderung und Diversität im Filmbereich zu berücksichtigen. Damit ein Film gefördert werden kann, muss er außerdem ökologisch nachhaltig und ressourcenschonend  produziert werden. Mithilfe von „Green Consultants” soll das „Green Shooting“ (grünes Drehen) beschleunigt werden. Seit 2020 werden mit dem Eisvogel Preis Filmproduktionen geehrt, die sich durch nachhaltige Produktionspraktiken auszeichnen. Auf dem deutschen Produzententag wurden im Februar 2023 bundesweit einheitliche ökologische Produktionsstandards für audiovisuelle Produktionen beschlossen. Nach einer Einführungsphase sollen sie spätestens ab dem 1. Juli 2023 bundesweit zur Voraussetzung für alle in Deutschland öffentlich geförderten Kino-, TV- und Online-/“Video-On-Demand”-Produktionen sein.

Mit der neuen Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die seit Dezember 2021 im Amt ist, nimmt das Thema ökologische Nachhaltigkeit im Kulturbereich Fahrt auf. Im Frühjahr 2022 verkündete sie, dass der Klimaschutz “in der Kultur- und Medienpolitik des Bundes zukünftig eine zentrale Rolle spielen” werde. Die Kulturszene soll ermächtigt werden, klima- und umweltgerechter zu arbeiten. Für die ökologische Transformation des Kultur- und Medienbetriebs plante sie als Leitung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) zusätzlich 5 Millionen Euro ein. Daraus wird unter anderem die im September 2023 eingerichtete Anlaufstelle „Green Culture” finanziert. Ziel der Anlaufstelle ist es, die Kultur-, Kreativ- und Medienbranche auf ihrem Weg zu einem klimaschonenden Betrieb zu unterstützen, indem sie vernetzt, dokumentiert, berät, unterstützt und zentrale Werkzeuge anbietet.

Ökologische Kriterien für die Kultur?

Da auch die Kulturpolitik sich die Reduzierung des eigenen ökologischen Fußabdrucks zur Aufgabe gemacht hat, gibt es immer mehr Anreizsysteme, Förderungen an ökologische Kriterien zu knüpfen. Die Kulturstiftung des Bundes (KSB) hat 2022 z.B. das Förderprojekt „Fonds Zero” ins Leben gerufen. Damit will sie Kultureinrichtungen bundesweit darin unterstützen, „klimaneutrale Produktionsformen und neue Ästhetiken mit geringstmöglicher Klimawirkung zu erproben”. Dabei soll der Frage auf den Grund gegangen werden, ob künstlerisch innovative Kunst- und Kulturprojekte auch klimaneutral sein können?! Das Förderprogramm soll Sensibilisierung und Veränderung im Kulturbereich anstoßen. Es startete Anfang 2023 in die erste Runde und läuft bis 2027. Es schließt an das Pilotprojekt „Klimabilanzen in Kulturinstitutionen” der KSB aus dem Jahr 2019 an.

Der Startschuss für die Betriebsökologie

Wie können Kultureinrichtungen, Künstlerinitiativen und -vereine nun ihren Weg zu mehr (ökologischer) Nachhaltigkeit bestreiten? Wie kann die Betriebsökologie implementiert werden? Wo fangen wir eigentlich an?

Jacob Bilabel, Leiter des Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit in Kultur und Medien, sagt: “Es braucht eine Entscheidung, drei Schritte und [5] Maßnahmen (...), um vom Wissen ins Handeln zu kommen” (s. Wir sehen uns. Theatertreffen 2012-2022 c Berliner Festspiele). Vor der Entscheidung bedarf es aber zuerst des Bewusstseins. Für das “bewusst werden”, braucht es Wissen um das Thema der Klimakrise, die Auswirkungen auf die Kultur und die Handlungsfelder. Anschließend kann eine informierte Entscheidung getroffen werden: Wollen wir agieren und proaktiv handeln oder reagieren, wenn irgendwann eine Veränderung forciert wird?

Darauf kann das WIE folgen. Als erster Schritt ist es wichtig, Ziele festzulegen. Welches institutionelle oder persönliche Ziel wollt ihr definieren? Und bis wann wollt ihr dieses Ziel erreicht haben? Dabei ist es von Vorteil, wenn die Ziele möglichst spezifisch, messbar, erreichbar, relevant und zeitgebunden (SMART) formuliert werden. Im zweiten Schritt wird der Status Quo ermittelt. Wo stehen wir gerade? Was sind unsere gewöhnlichen Prozesse, Wege und Entscheidungen? Hier ist es ausschlaggebend, ehrlich mit sich zu sein. Je ehrlicher der Ausgangspunkt, desto besser die Entwicklung bis hin zur Zielerreichung. Die Erstellung einer Klimabilanz (synonym: CO2 oder Treibhausgas (THG)-Bilanz) kann helfen. Dabei werden die Auswirkungen der eigenen Aktivitäten mit Einfluss auf das Klima, sprich der Ausstoß an THG-Emissionen berechnet und anschließend bewertet. Sie hilft, datenbasierte, konkrete Ziele zu setzen und das Erreichen der Ziele messbar zu machen. Wichtig ist, sie in einen Kontext zu setzen und verständlich zu machen, welche Daten sie enthält und auch nicht enthält (Mehr zur Klimabilanz hier). Ressourcenschonende Ziele und Aktivitäten können aber auch ohne eine Klimabilanz bestimmt werden. Die großen Hebel für eine Verringerung des eigenen CO2-Ausstoßes sind bekannt. Zum Beispiel liegen sie im Energieverbrauch und der baulichen Beschaffenheit von Gebäuden, in denen sich unsere Studios, Büroräume usw. befinden. Als weiterer Hebel gilt auch das große Feld der Mobilität, z.B. der Kolleg*innen, der Künstler*innen oder des künstlerischen Teams genauso wie des Publikums. Auch Tourneen und Gastspiele zählen hier rein.

Der dritte Schritt liegt in der Planung, Umsetzung und Auswertung von Maßnahmen. Natürlich können (und müssen es wahrscheinlich) mehr als fünf Maßnahmen sein. Ein Tipp: Fangt klein an. Mit der Umsetzung der auch kleinsten Maßnahmen stellt sich ein Gefühl von Selbstwirksamkeit ein. Das macht Spaß! Und es motiviert dazu, mehr umzusetzen und sich an die größeren Maßnahmen zu wagen. Maßnahmen können dabei als Schritte auf dem Weg zwischen Status Quo und Ziel verstanden werden. Ihr fragt euch, wie die fünf Maßnahmen von Jacob Bilabel lauten? Diese sind:

  • Ressourcen (Geld, Zeit, Aufmerksamkeit und wo*man-power) bereitstellen,
  • Kompetenzen aufbauen (für die Fähigkeiten von Morgen),
  • Experimente starten (Handlungswissen entsteht durch Handeln),
  • Daten sammeln und verstehen (s. Klimabilanz) und
  • Netzwerke aufbauen (Nachhaltigkeit ist Teamsport).

Welche Bereiche können Kulturinstitutionen oder Künstlerinitiativen konkret beleuchten, um Ziele und Maßnahmen für sich festlegen zu können? Lasst uns dazu die folgenden Handlungsfelder betrachten:

Catering/Gastronomie

Die Fragen, mit denen wir uns im Bereich nachhaltige Verpflegung auseinandersetzen, lauten: Was wird in welcher Qualität angeboten? Woher stammen die Lebensmittel und Getränke? Wie weit war der Transportweg? Im weitesten Sinne bedeutet dies auch: Unter welchen Bedingungen wurden die Lebensmittel und Getränke produziert?
Die Antwort lautet: Saisonale, regionale und biologisch angebaute Produkte aus einer fairen (im besten Fall lokalen) Lieferkette sind am besten geeignet. Hier können Siegel wie Bioland, Demeter, EU-Bio-Siegel, ECOVIN, Fairtrade oder Gepa fair+ uvm. helfen (eine Übersicht über Siegel gibt es hier). Zudem gilt bei der Entscheidung zwischen Fleisch vs. Vegetarisch folgendes zu beachten: Lebensmittel tierischer Herkunft wie Fleisch, Käse oder Milch haben einen höheren CO2-Ausstoß als Lebensmittel auf pflanzlicher Basis. Bei den Winterthurer Musikfestwochen wurde dies nachgerechnet. Dort lag die Auswahl bei Schweizer Fleisch aus herkömmlicher vs. bio-zertifizierter Haltung und einem vegetarischen herkömmlichen Sortiment vs. eines mit biologisch zertifizierten, regionalen und saisonalen Produkten. Die verursachten Emissionen zeigen zu beachtende Unterschiede.

In einem Säulendiagramm sind die verursachten Emissionen für fleischhaltiges und vegetarisches Angebot bei den Winterthurer Musikfestwochen dargestellt.

Verursachte Emissionen für fleischhaltiges und vegetarisches Angebot bei den Winterthurer Musikfestwochen.

Generell zeigt sich, dass Fleisch, Käse und Milch auf dem Speiseplan bis zu doppelt so viel CO2-Emissionen verursachen als die fleischlose oder pflanzenbasierte Ernährungsweise. Mehr dazu gibt es hier nachzulesen. Fleisch muss aber nicht komplett oder sofort aus der Kantine verbannt werden. Es hilft enorm, wenn der Fleischkonsum und das -angebot reduziert und mit bio-zertifizierten Produkten aus regionaler Haltung ersetzt werden. Ja, fleischfreie Tage in der Kantine sind möglich und „Chilli sin Carne” schmeckt auch sehr lecker und macht satt.

In einem Balkendiagramm ist die durchschnittliche Höhe an verursachten CO2-Emissionen je nach Ernährungsweise dargestellt.

Die durchschnittliche Höhe an verursachten CO2-Emissionen je nach Ernährungsweise (Veganer, Vegetarier, Flexitarier und Fleischesser).

Als nächstes gilt zu beachten, wie das Essen und die Getränke ausgegeben werden. Sind es Getränke in Plastik- oder Glasflaschen, die ggf. in Plastikbecher oder Gläser gefüllt werden? Wird Einweg-, Mehrweg- oder Keramikgeschirr verwendet? Wie ist es mit dem Besteck? Wird zum Kaffee der Keks in einer Plastikhülle gereicht? Auch Mehrweg-Pfandsysteme (wie z.B. ReCup, ReBowl uvm.) sind nachhaltigere Varianten bei „To-Go” gastronomischen Angeboten. Dabei geht es ganz besonders um das Thema der Müllvermeidung. Und auch in der Planung der Menge des Essensangebots ist es strebsam, dass am Ende nicht zu viel übrig bleibt, das im schlimmsten Fall im Müll landet.

Beschaffung und Entsorgung

Das Feld Beschaffung betrifft Güter genauso wie Dienstleistungen. Darunter fallen Arbeitsmittel, (Produktions-)Materialien für z.B. Bühnenbilder oder ähnliches, Möbel, elektronische Geräte usw., die wir selbst einkaufen, leasen oder aber die unser*e Dienstleister*in benutzt oder für uns installiert. Es betrifft auch die Druckerzeugnisse, die wir für unsere Zwecke gestalten und anfertigen lassen. Mit allem Material und Gütern, das und die wir anschaffen, ist die Entsorgung direkt mitzudenken.

Die Fragen, die diesen Bereich betreffen, lauten: Welche Materialien oder Güter brauchen wir wirklich? Wie (und unter welchen Bedingungen) wurden diese Güter produziert? Woher stammen sie? Wie können wir sie verarbeiten, sodass eine Rückbaubarkeit möglich wird? Sind sie recyclingfähig oder können sie möglicherweise für eine Wiederverwendung an Dritte abgegeben werden?

Grundsätzlich gilt es in Materialkreisläufen zu denken. Dabei kommen die sogenannten „5 R” ins Spiel: Refuse, Reduce, Reuse, Recycle und Repurpose (frei übersetzt: Vermeiden, Reduzieren, Wiederverwenden, Recyceln und Umfunktionieren). Diese folgen dem Leitsatz Suffizienz → Effizienz → Konsistenz. Dies bedeutet:
1. Reduzierung von Material(volumen) – hier hilft die Frage: Brauchen wir das wirklich?
2. Ergiebigere Nutzung von Material und Energie – Wie können wir aus weniger mehr rausholen?
3. Naturverträgliche Stoffkreisläufe und Müllvermeidung – Wie können wir es wiederverwenden?
Mehr dazu und zu alternativen Materialien gibt es im Bereich Materialkreisläufe und auf dem WIKI des Netzwerks Performing for Future.

Bei der Beschaffung von Gütern oder in Vergabeprozessen liegt die Herausforderung in der Wahl der „wirtschaftlichsten Alternative”, also das günstigste Produkt oder den*die günstigste*n Dienstleister*in. Seit 2013 gibt es für das Land Berlin die Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt, für die es seit 2021 eine neue Fassung gibt. Sie entstand aus der Erkenntnis, dass das Land Berlin pro Jahr Produkte und Dienstleistungen im Wert von vier bis fünf Milliarden Euro beschafft. Es erkennt also die hohe Verantwortung der öffentlichen Hand an und legt ein besonderes Augenmerk auf eine umweltverträgliche Beschaffung. Mehr dazu gibt es auf der Webseite des Landes Berlin.
Konkret bedeutet es für uns, dass bei der Beschaffung nicht nur der Preis beim Kauf  ausschlaggebend ist, sondern z.B. auch der Preis über die gesamte Nutzungsdauer. Der Produktlebenszyklus berücksichtigt die Energienutzung des Geräts während der gesamten Nutzungsdauer und auch die Kosten für die Entsorgung. Im Volksmund heißt es „Billig wird doppelt so teuer”. Dies bestätigt den Kauf eines günstigen Gerätes, das z.B. nicht besonders energieeffizient ist oder nicht repariert oder gewartet werden kann. Somit wird frühzeitig ein neues Gerät beschafft und das alte entsorgt werden müssen. Außerdem können wir im Vergabeprozess weitere ökologische Kriterien als für uns relevant erklären, wie z.B. das Führen eines Umweltsiegels bei Materialien und Dienstleistungen. Eine gute Übersicht zu Umweltsiegeln gibt es hier. Auch das Achten auf die richtige Energieklasse kann helfen. Mehr dazu im Bereich Energie. Was wir sonst noch bei der umweltfreundlichen Beschaffung berücksichtigen können, ist im Leitfaden der Stadt Hamburg zusammengefasst.

Vor der Beschaffung eines Neugeräts sollte auch immer die Option des Mietens oder Leihens  in Erwägung gezogen werden. Dies ist z.B. bei der Ton- und Lichttechnik für ein Bühnenstück möglich, das z.B. unerwartete, spezifische Anforderungen hat. Materialien für Bühnenbilder, Kostüme usw. können außerdem aus zweiter Hand beschafft werden. Bundesweit gibt dafür es eine Anzahl an Materialinitiativen und Tauschbörsen. Eine Übersicht gibt es hier.

Im Bundesland Thüringen gibt es seit 2021 den Reparaturbonus. Dieser ermöglicht Verbraucher*innen, die Reparatur ihrer elektronischen Geräte mit bis zu 100 Euro pro Jahr fördern zu lassen. Der Reparaturbonus ist ein gemeinsames Projekt des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz und der Verbraucherzentrale Thüringen. Ihn gibt es auch schon flächendeckend  in Österreich.

Beim Thema Druckerzeugnisse gilt es auf die Wahl des Papiers zu achten. Ob Recycling- oder Frischfaserpapier gewählt wird, macht einen relevanten Unterschied im Ressourcenverbrauch aus. Wie viel Holz, Wasser, Energie und CO2 eingespart werden kann, zeigt die folgende Grafik.

Die Ersparnis an Holz, Wasser, Energie und CO2 bei der Wahl des Papiers ist in Säulen grafisch dargestellt.

Ersparnis an Holz, Wasser, Energie und CO2 bei der Wahl des Papiers.

Zusätzlich ist auch die Entscheidung für die Druckfarbe (z.B. Algenfarbe auf Pflanzenölbasis) und den Druckvorgang (mit/ohne Beschichtung usw.) relevant. Aber auch das Energiemanagement der Druckerei (z.B. Ökostrom) oder die Wahl der Verpackung (Papier statt Plastik oder Mehrweg-Pfandsysteme) und des Transportes (z.B. Sammel- statt Einzellieferungen, CO2- kompensierter Versand), darf Berücksichtigung in der Wahl einer Druckerei finden. Ein Pionier im umweltfreundlichen Drucken ist die Umweltdruckerei.

Abfall und Wasser

Im Bereich des Abfallmanagements stellen wir uns die Fragen, wie wir Müll zuallererst vermeiden, dann reduzieren können und im Anschluss das Müllaufkommen ordentlich zu recyceln und entsorgen. Wie im Falle des gastronomischen Angebots, hat die Müllvermeidung mittels z.B. Pfandsystemen Priorität. Die Wahl von verpackungsarmen Angeboten oder Systemen ist ebenfalls zu bevorzugen. Als Beispiel ist die Nutzung einer Wasserbar (Füllstation mit gefiltertem Wasser) mit Mehrwegflaschen im Crew- und Backstagebereich möglich. In 2022 konnten so auf einer fünftägigen Veranstaltung der Band Seeed in der Berliner Parkbühne Wuhlheide bis zu 3.500 Plastikflaschen eingespart werden. Als letztes gilt es, den Abfall getrennt zu entsorgen. Dafür bedarf es eines Trennsystems, das zum einen verständlich und zum anderen einfach zu handhaben ist. Dies gilt für den Büroalltag genauso wie für Großveranstaltungen. Eine klare Kennzeichnung der Trennsysteme (in Wertstoffe/Plastik, Restmüll, Biomüll, Pappe und Papier usw.) ebenso wie eine Auflistung an Beispielen ist absolut notwendig. Auf einem Festival auf dem Tempelhofer Feld im Sommer 2022 wurden sogenannte Nährstoffinseln aufgestellt. Hier war das Trennsystem nicht nur deutlich gekennzeichnet, sondern begleitet von Botschafter*innen, die zur Trennung animierten und aufklärten.

Zu sehen ist ein Informationsstand mit Berater*innen auf dem Festival Labor Tempelhof.

Nährstoffinseln und Botschafter*innen

Als interessante Randnotiz ist der Aspekt der einfachen Handhabung hervorzuheben. So wurde auf einem Musikfestival folgendes beobachtet: Bei Mülltonnen, deren Deckel bereits halb geöffnet sind, war die Mülltrennung viel effektiver. Dies liege wohl daran, dass Festivalbesucher*innen tendenziell eher keine Hand frei haben, um die Mülltonne zu öffnen und den Müll zu trennen. Ansonsten gibt es neben pragmatischen Anreizen wie z.B. der Verteilung von Taschenaschenbechern auch spielerische Anreize. Das „Kippenvoting” macht nicht nur Spaß, sondern schützt auch bis zu 1000 Liter Grundwasser pro Zigarettenstummel vor Verunreinigung.

Zu sehen ist eine Box mit der Aufschrift "Should the goverment do more to tackle littering" mit zwei Einwurfmöglichkeiten, beschriftet mit "Yes" und "No". In der Box sind durch Glasscheiben Zigarettenstummel zu sehen. Auf der Seite "Yes" wurden mehr Stummel eingeworfen.

Beispiel für ein „Kippenvoting” (Abstimmungssystem mit Zigarettenstummel)

Wasser sollte ebenfalls möglichst ressourceneffizient genutzt werden. Hier können wassersparendes Spülen oder Spülstopp-Tasten in Waschräumen und WCs helfen. Zusätzlich gibt es auch ausgeklügelte Systeme, die Wasser in einer bestimmten Reihenfolge nutzbar machen. Zum Beispiel kann bereits einmal verwendetes Wasser aus Waschbecken oder Duschen (Grauwasser) als Toilettenwasser genutzt werden. Pionier ist ein in den USA entwickeltes System zum ökologischen Bauen, die sogenannten “Earthships”. Diese gibt es auch in Deutschland (Earthship DE) zu finden. Auch das Sammeln von Regenwasser zur Nutzung von Gießwasser ist möglich und schont Ressourcen.

Mobilität und Logistik

Dieser Bereich ist weit gefasst und enthält neben der Anreise des eigenen Teams ins Büro (Pendeln) auch die An- und Abreise von Künstler*innen, Gästen und des Publikums. Es betrifft auch Gastspielreisen oder Tourneen genauso wie Transporte, die durch uns für die Ausübung unserer Aktivitäten veranlasst werden.
Entscheidend ist hier das Wissen über die Wahl des Verkehrsmittels für die An- und Abreise. Wie können wir herausfinden, wie unsere Kolleg*innen oder Besucher*innen anreisen? Hier helfen Befragungen weiter, je nach Möglichkeit online oder analog.

Auf der Wand hängt ein Schild mit der Frage "Wie sind Sie heute angereist?". Eine Frau stimmt daneben ab.

Analoge Befragung des Museums für Alltagskultur in ihrer Ausstellung

Der Zweck der Befragung bestimmt ihre Inhalte. Z.B. kann gefragt werden, mit welchem Verkehrsmittel das Publikum woher angereist ist und die Gründe für die Wahl des Verkehrsmittels. Die Auswertung solcher Inhalte ermöglicht es, Ideen und Anreize für z.B. die Wahl eines umweltschonenden Verkehrsmittels zu erarbeiten. Kann es mehr und bewachte Fahrradständer geben? Lässt sich das Veranstaltungsticket auch als ÖPNV Ticket (Kombiticket) nutzen? Viele Kulturveranstaltungen, wie z.B. das Berliner Theatertreffen, die Ruhrtriennale oder die Documenta nutzen bereits das Kombiticket. Natürlich setzt dies auch voraus, dass das Publikum von dieser Option weiß. Eine ausreichende Kommunikationsstrategie sollte also nicht vernachlässigt werden.
Bei Kolleg*innen, die mit dem Auto fahren müssen, stellt sich die Frage, ob nicht Fahrgemeinschaften gebildet werden können. Auch das Angebot eines bezuschussten ÖPNV Firmentickets oder eines sogenannten (geleasten) Jobrads ist weit verbreitet.

Bei Gastspielreisen, Tourneen und die Einladung von Künstler*innen und Gästen kann die Festlegung von Reiserichtlinien von Vorteil sein. Zum Beispiel können Inlandsflüge generell ausgeschlossen und/oder die Bahn als bevorzugtes Verkehrsmittel bei einer Reisezeit von bis zu acht Stunden festgelegt werden. Hier bleibt die Frage der höheren Reisekosten und Reisezeit nicht irrelevant. Gegebenenfalls sind höhere Kosten in Kauf zu nehmen und in der Budgetplanung einzukalkulieren. Bei hoher Reisezeit kann die Anreise am Tag vorher zusammen mit einer zusätzlichen Nacht im Hotel eine Option sein. Die Gesundheit und arbeitsschutzrechtliche Aspekte wie die Einhaltung von Ruhezeiten sind in jedem Fall zu wahren. Die Auswahl der Unterkunft ist ebenfalls zu beachten. Im Hotelbereich gibt es vermehrt Siegel, die die Nachhaltigkeit bestätigen sollen. Vom Umgang mit natürlichen Ressourcen bis zur Energieeffizienz der Systeme und Gebäude ist vieles abgebildet. Auf der Webseite von Fairweg gibt es einen Vergleich und die Bewertung vieler international gängiger Zertifikate und Siegel aus dem Tourismus- und Hotelbereich.

Oftmals kann das Flugzeug als Verkehrsmittel nicht ausgeschlossen werden. Hier ist die Priorisierung von Direktflügen wünschenswert. Die Gestaltung von Tourneen kann auch durch ein lineares Reisen (linear routing) profitieren. Dabei wird das Hin- und Herfliegen vermieden und kürzere Teilstrecken und somit eine kürzere Gesamtstrecke gewählt. Insgesamt bedeutet das einen geringeren CO2-Ausstoß. Flugreisen lassen sich auch über Anbieter wie z.B. atmosfair kompensieren. Dies sollte jedoch als letzte Instanz genutzt werden. Generell gilt, CO2- Emissionen zuerst zu verhindern, dann zu reduzieren und erst dann zu kompensieren. Neben der Planung eines finanziellen Budgets für Tourneen oder Reisen ließe sich auch die Festlegung eines CO2-Budgets in Betracht ziehen. Dafür kann ein CO2-Rechner, wie z.B. ecocockpit herangezogen werden. Ein CO2-Budget lässt sich natürlich auch auf alle anderen Handlungsbereiche ausweiten und wäre ein Tool, um die Zielsetzung und -erreichung messbar zu machen.

Zu guter Letzt ist auch die Wahl eines guten Logistikanbieters ein Hebel für die eigene Nachhaltigkeit. Bei Transporten von Bühnenbildern, Instrumenten, Kleidung und Ausstattung gibt es neben Preis, Zuverlässigkeit oder Kenntnisse und Ausstattung für spezifisches Handling auch ökologische Aspekte zu berücksichtigen. Hierzu gehören z.B. elektrische Fahrzeugflotten, eine bessere Schadstoffklasse (z.B. Euro-VI), besser ausgelastete Fahrzeuge und vermiedene Leerfahrten oder generell auch einen Dienstleister, der in der Nähe des eigenen Standortes verortet ist. Mehr dazu hier.

Energie

Wie und woher wir Strom und Wärme für Büros, Theater, Kinos, Werkstätten oder Tanzräume beziehen, hat einen maßgeblichen Einfluss auf unseren CO2-Ausstoß. Im Jahr 2022 machen sie genau 50% der Gesamtemissionen Deutschlands aus. In 2022 stammte mehr als die Hälfte des Stroms in Deutschland noch aus fossilen Quellen, wie Braun- und Steinkohle, Erdöl und Erdgas, oder Atomkernenergie. Die gute Nachricht ist, dass der Anteil von erneuerbaren Energiequellen in den letzten 20 Jahren deutlich gestiegen ist. In 2022 liegt er bei 44%. Laut Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sollen es bis zum Jahr 2030 mindestens 80% sein. Zu den erneuerbaren Energieträgern zählen Wind- und Solarenergie sowie Biomasse und Wasserkraft.

Es gibt zahlreiche Ökostrom-Anbieter. Zu den am besten bewerteten in Deutschland zählen:

Mit einem Ökostrom-Tarif ist schon viel getan. Trotzdem beziehen wir aus unserer Steckdose noch Strom aus Atomkraftwerken und Kohlegewinnung (Strommix). Denn das Angebot an erneuerbaren Energien deckt noch lange nicht die Nachfrage. Dafür ist ein zügiger Ausbau der erneuerbaren Energieträger und dessen Infrastruktur notwendig. Man kann es sich bildlich als „Stromsee” vorstellen. Je mehr Ökostrom-Quellen ausgebaut und bezogen werden, desto größer wird der Anteil der erneuerbaren Energien im See.

Dargestellt sind die verschiedenen Stromquellen in Deutschland. Sie sind gekennzeichnet, ob es sich dabei um Ökostrom handelt.

Der deutsche „Stromsee”

Ökostrom ist aber nicht gleich Ökostrom. Auch hierfür gibt es Qualitätssiegel, wie z.B. die Label Grüner-Strom oder ok-power, TÜV Süd und TÜV Nord oder EKOenergie. Mehr dazu hier.

Im Bereich Wärmeenergie ist es ähnlich wie beim Strom. Auch hier gibt es Wärmeversorgung aus unterschiedlichen Quellen. Wärme aus Gas, Kohle oder Öl steht im Vergleich zu nachhaltigen Alternativen wie Fern- oder Nahwärme, Holzpellets, Geothermie oder Blockheizkraftwerke. Infrastruktur und Zugang zu nachhaltigen Wärmequellen ist aber nicht überall gegeben. Auch hier ist ein Ausbau bzw. ein Umbau notwendig. Mit dem Gebäudeenergiegesetz soll das seit 2020 beschleunigt werden.

Energie kann aber auch selbst,  z.B. über eine eigene Photovoltaikanlage (PV-Anlage), produziert werden. Mit dem Solargesetz Berlin 2023 ist eine PV-Anlage selbst auf denkmalgeschützten Gebäuden in Berlin nun möglich.

Neben der Quelle von Strom und Wärme sind natürlich auch der Verbrauch und die Effizienz wichtig.
Wie viel verbrauchen wir eigentlich? Welche sind energiesparende Geräte vs. „Energiefresser”? Ein Strommessgerät kann hier Abhilfe schaffen. Außerdem deuten die Energieklassen (A-G) bei elektrischen Geräten auf eine energieeffiziente Wahl (A) oder nicht (G) hin. Seit 2010 betrifft das nicht mehr nur Haushaltsgeräte, sondern alle energieverbrauchsrelevanten Produkte. Auf der Website der Europäischen Kommission gibt es weitere Informationen dazu.

Die EU-Energieeffizienzkennzeichnung ist in farbigen Balken dargestellt, von A in grün bis G in rot.

EU-Energieeffizienzkennzeichnung am Beispiel eines Kühlschranks

Geräte und Systeme sollten zudem unbedingt regelmäßig gewartet werden, um nicht an Effizienz einzubüßen. Auch der Standby-Modus oder das Steckenlassen von z.B. Ladekabeln (ohne ein zu ladendes Gerät dran) in Steckdosen fressen konstant Strom. Es ist ratsam, Mehrfachsteckdosen mit Schaltern zu nutzen, die nach dem Arbeitstag ausgeschaltet werden. Generell wird empfohlen, Geräte nur dann einzuschalten, wenn sie auch benutzt werden, sprich sie nicht konstant im StandBy Modus zu lassen.

Kommunikation

Besonders seit dem Einbruch der Covid Pandemie in 2020 hat sich die Nutzung von digitalen Diensten erheblich erhöht. Dies betrifft Plattformen und Anwendungen für Videokonferenzen, Videostreaming und auch Online-Datenspeicherung durch z.B. vermehrtes mobiles Arbeiten. All diese Anwendungen, genau so wie das Versenden einer E-Mail (besonders mit großem Dateianhang), das Recherchieren im Internet oder das Betreiben einer Webseite, benötigen Energie. Und all dies können wir seit Jahren auch mit unseren Smartphones tun.
Wäre das Internet ein Land, hätte es mit einem Anteil von 2,8 % am weltweiten CO2-Ausstoß den sechstgrößten Stromverbrauch (nach Japan und vor Iran). Wesentlich ist dabei der Faktor Stromverbrauch, vor allem für die Rechenleistung von Millionen von Servern in über 7.500 Rechenzentren weltweit und deren Kühlungssysteme. Die aktuell stromintensivsten Trends sind das Speichern von Daten in Clouds sowie das Streamen von Musik und Filmen (z.B. Spotify und Netflix). Logischerweise hängt der Stromverbrauch vom Konsum solcher Online-Dienste ab. Weltweit sind knapp 5 Milliarden Menschen mit Smartphones, Tablets, Laptops und Co. online und produzieren, verarbeiten oder konsumieren Daten. Die Tendenz ist steigend. Die Prognose von Experten besagt, dass sich bis 2050 (im Vergleich zu 2020) das Datenvolumen verdoppeln wird. Dies wird gleichzeitig auch zu einem erhöhten Strombedarf (+60 % erwartet) führen.

Wie hoch ist nun unser individueller CO2-Ausstoß pro Aktivität? Im besten Fall fließt der Energieverbrauch der Datenübertragung und des Rechenzentrums, die häusliche Infrastruktur und das Endgerät in die Berechnung ein. Die Wahl des Endgeräts lässt die Werte stark variieren. Als Orientierung gelten folgende Durchschnittswerte, wobei eine höhere Datenübertragung pro Stunde mehr Energie benötigt:

  • 1 E-Mail verursacht 0,3 - 30 g CO2 pro Empfänger*in
  • Musikstreaming liefert eine Datenmenge von 0,06 Gigabyte (GB) pro Stunde (/h)
  • Die Teilnahme an einer Videokonferenz liefert 0,5 GB/h
  • Das Streaming von Filmen in hoher Qualität liefert 2 GB/h (im Vergleich zu niedriger Qualität: 0,3 GB/h)
Die durchschnittlichen CO2-Emissionen in g für verschiedene Internetprozesse sind aufgelistet.

Der Verbrauch unserer Online-Aktivitäten gemessen in CO2

Die Fragen, die wir uns in diesem Bereich stellen können, sind: Wie können wir unseren Datenverbrauch online reduzieren? Wie und wo speichern wir unsere Daten überhaupt ab? Wie viele unserer Daten sind doppelt oder unnötig abgelegt? Wo können wir ausmisten und unbrauchbare Daten löschen?
Tipps dafür sind:

  • Während Videokonferenzen das eigene Video ausschalten
  • Beim Streamen von Filmen die Videoqualität reduzieren (z.B. von HD auf SD)
  • Besser die Übertragung per Glasfaserkabel als per UMTS
  • Die Autoplay Funktion für eingebettete Videos auf Webseiten deaktivieren
  • Anbieter mit Rechenzentrum in Deutschland oder Europa wählen, z.B. Sichere Videokonferenz
  • Grünes Webhosting für Webseiten, z.B. von Mittwald oder weiteren Anbietern
  • Unbrauchbare E-Mails, Bilder und andere Daten löschen
  • Newsletter abbestellen, die nicht gelesen werden
  • Informationen in einer E-Mail bündeln und auf Dankes-Emails verzichten (das lässt sich vorher gut im Team absprechen)
  • Bei der Gruppenarbeit mit Texten o.ä. Cloud-Dienste nutzen, anstatt die Datei per Email hin und her zu schicken
Tipps für eine nachhaltige Internet-Nutzung sind genannt und mit Piktogrammen dargestellt.

Tipps für eine nachhaltige Nutzung des Internets

Falls ihr euch fragt, ab wann eine Videokonferenz der Anreise zu Terminen, Meetings oder Tagungen zu bevorzugen ist, gibt es vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) und dem Borderstep Institut eine Antwort. Laut ihrer Studie lohnt sich die Videokonferenz schon ab fünf Kilometer Anfahrtsweg mit dem Auto.