Allgemeines Urheberrecht
Urheberrechtliches Werk, Leistungsschutzrechte, Urhebervertragsrecht, Rechte an Musikwerken
Stand: Dezember 2023
Themen auf dieser Seite
Links
(Selbst-)Fotografien des indonesischen Makaken Naruto
Urheberrecht Peta Affe Selfie
Malereien des Schimpansen Congo
Congo Schimpanse Maler
Rechte der GEMA
Streamen: Das Filmherstellungsrecht bei der GEMA
§ 1 Was ist ein urheberrechtliches Werk?
Nicht alles, was „künstlerisch“ ist, ist gesetzlich geschützt. Auch ist nicht jede gute Idee geschützt. Um urheberrechtlichen Schutz zu genießen, muss es sich um ein Werk nach dem Urhebergesetz handeln.
Werkkategorien nach § 2 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz
§ 2 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz zählt die nachfolgenden sieben Werkarten aus den Werkkategorien Literatur, Wissenschaft und Kunst auf. Die Aufzählung ist beispielhaft („insbesondere“) und nicht abschließend.
► Nr. 1: Sprachwerk (z.B. Schriftwerke, Computerprogramme etc.)
► Nr. 2: Musikwerk
► Nr. 3: Tanzkunst
► Nr. 4: Bildende Kunst; Bauwerke
► Nr. 5: Lichtbilder
► Nr. 6: Filme
► Nr. 7: Darstellungen wissenschaftlicher bzw. technischer Art
► „insbesondere“ bedeutet, dass Nr. 1 bis Nr. 7 nicht abschließend sind, somit sind ggf. auch Theaterinszenierungen etc. inbegriffen
Was macht das Werk aus?
Schutzfähige Werke nach § 2 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz sind nur persönliche geistige Schöpfungen. Die Rechtsprechung hat vier Prüfungsschritte entwickelt, die erfüllt sein müssen, damit eine persönliche geistige Schöpfung vorliegt.
► Persönlich erschaffen
► Wahrnehmbare Form
► Individualität
► Gestaltungshöhe
Ein Werk muss Ausdruck des menschlichen Schaffens sein (persönlich erschaffen)
Geschützt sind in erster Linie nur kreative Schöpfungen von Menschen („persönliche geistige“). Das schließt Schöpfungen von Tieren aus. Medial umstritten waren z. B. (Selbst-)Fotografien des indonesischen Makaken Naruto oder auch die Malereien des Schimpansen Congo. Das Urheberrechtsgesetz versagt jedenfalls nicht von Menschen geschaffenen Werken den Schutz. Gleiches gilt für eine Künstliche Intelligenz (KI) generierte Schöpfung, auch diese kann keinen Schutz nach dem Urheberrechtsgesetz genießen. Die KI kann jedoch als Leistungsschutzrecht als Investitionsschutz geschützt sein (also die Programmierung selbst, aber nicht das von der KI „ausgeworfene“ Produkt).
An einer „geistigen Schöpfung“ fehlt es regelmäßig, wenn ein Mensch gefundene Objekte als Kunst bloß deklariert (Ready-made bzw. Objet trouvé). Wenn allerdings geistige Schöpfungskraft in der Auswahl, Anordnung oder Kontextualisierung von ready-mades erkennbar wird, dann kann dabei doch ein urheberrechtlich geschütztes Werk entstanden sein.
Anders ist das bei der Konzept- oder Aktionskunst (Happening, Fluxus (z. B. Joseph Beuys „DAS SCHWEIGEN VON MARCEL DUCHAMP WIRD ÜBERBEWERTET“)): Hier liegt die menschliche, persönliche und geistige Schöpfungsleistung in der schöpferischen Auswahl, Zusammenstellung oder Anordnung von Gegenständen oder Ereignissen. Diese ist urheberrechtlich schutzfähig.
Verkörperung der persönlich geistigen Schöpfung (wahrnehmbare Form)
Unverkörpert gebliebene Ideen und Konzepte sind keine persönlich geistigen Schöpfungen, da diese keiner wahrnehmbaren Form zugeführt wurden. Oft erreicht z. B. die reine Konzeptidee nicht die Schwelle zum urheberrechtlichen Schutz. So ist die Idee für eine Projektentwicklung – beispielsweise ein Stück, das das Thema der Datenspuren im digitalen Raum aufgreift – nicht dergestalt vom Urheberrecht geschützt, dass kein*e andere*r Künstler*in ein solches Projekt umsetzen dürfte.
Individualität
Die Prüfung der Individualität eines Werkes sucht nach der Prägung von Werken durch die Persönlichkeit ihrer Urheber*innen. Es geht nicht um eine Neuheit des Werks, wie es das Designgesetz oder auch das Patentgesetz verlangt, sondern darum, ob die Schöpfung erkennen lässt, dass die jeweils gestaltenden Urheber*innen einen Gestaltungsraum für die eigene freie künstlerische Entfaltung so genutzt haben, dass die Schöpfung die jeweils eigene Persönlichkeit ausdrückt.
Gestaltungshöhe
Das letzte Kriterium, das erfüllt sein muss, ist die sogenannte Schwelle einer Gestaltungshöhe, die die persönliche geistige Schöpfung erreichen muss, um nach dem Urheberrechtsgesetz geschützt sein zu können. Die Schwelle der Gestaltungshöhe misst den Grad der vorgenannten künstlerischen Individualität, die in das Werk geflossen ist.
Insbesondere bei Texten stellt sich immer wieder die Frage, wie lang und wie außergewöhnlich diese formuliert sein müssen. Als Faustregel gilt: Je kürzer die Texte sind, desto höher sind die Anforderungen an die Besonderheit der Sprache. Von Karl Valentin ist beispielsweise bereits der Satz: „Mögen hätte ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut“, urheberrechtlich geschützt.
Auch beim Nachahmen oder bei der Übernahme (Sampling) von Melodieteilen in Kompositionen stellt sich die Frage, ab wann der übernommene Teil groß genug ist, um urheberrechtlich geschützt zu sein. Ob z. B. die Übernahme von zwei Sekunden einer Melodie genügt, um die erforderliche Schöpfungshöhe zu erreichen, ist immer noch Thema eines langjährigen Rechtsstreits. Schon mehrere deutsche und europäische Gerichte beschäftigen sich seit drei Jahrzehnten in den sogenannten Metall auf Metall Entscheidungen mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Sampling in der Musik erlaubt ist (ggf. ist bei einer so kurzen Übernahme einer Tonaufnahme nicht das Urheberrecht der Komponist*innen, sondern das Recht der Tonträgersteller*innen betroffen).
Kleine Anmerkung für Expert*innen:
Der Werkbegriff ist nach europarechtlichen Vorgaben auszulegen. Bisher ist nicht ganz geklärt, ob der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Auffassung vertritt, dass die Individualität ausschlaggebend ist oder ob es auch einer Gestaltungshöhe – also einer künstlerische Leistung – bedarf. Eine Vorlage zu dieser Frage befindet sich seit dem 23.11.2023 beim EuGH.
§ 2 Was sind Leistungsschutzrechte?
Das Urheberrechtsgesetz kann auch die Leistungen von darstellenden Künstler*innen, Tonträgeraufnahmen, Veranstalter*innen etc. schützen.
Solche Leistungsschutzrechte sind Rechte an Leistungen, die in künstlersicher, organisatorischer oder wirtschaftlicher Hinsicht für die Schaffung des Werkes von Bedeutung sind, ohne persönliche geistige Schöpfungen i.S.v. § 2 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz zu sein.
Das Urhebergesetz bietet z. B. darbietenden Künstler*innen (d. h. die aufführen, singen, spielen oder auf eine andere Weise darbieten) Schutz für ihre jeweilige künstlerische Leistung als ausübende*r Künstler*in.
Die rechtlichen Unterschiede zwischen Leistungsschutzrechten und Urheberrechten bestehen vor allem im Umfang des gewährten Schutzes (Verwertungsrechte) sowie in der Länge der Schutzdauer.
Beispiel 1
Hat ein Haus mit einem Tänzer und einer Choreographin eine einzige Aufführung vereinbart, in der der Tänzer die Choreografie der Choreografin (Urheberin) getanzt (ausübender Künstler) hat und soll die Aufführung in der nächsten Spielzeit wiederaufgenommen werden, ist ein Nachtanzen durch einen anderen Tänzer (d. h. die Umbesetzung des Tänzers) ohne seine Zustimmung möglich, während die Choreografin Rechte an der Choreografie für die Wiederaufnahme erneut einräumen muss. Insoweit hat der Tänzer keine ausschließlichen Rechte an seiner Darbietung. Bei ausübenden Künstler*innen beginnt der Schutz also erst mit der digitalen Aufzeichnung der künstlerischen Leistung und nicht schon mit einem „Nachmachen“. Bei Choreografien ist der Schutzbereich hingegen bereits mit dem „Nachmachen“ berührt.
Für die Aufnahme der Darbietung zum Beispiel zu Probenzwecke muss allerdings auch die Lizenz des Tänzers eingeholt werden.
Beispiel 2
Eine Sängerin, die eine Aufnahme in einem Tonstudio aufnehmen lässt und zustimmt, dass eine CD mit der Aufnahme erstellt und vertrieben werden kann, muss nicht mehr gefragt werden, wenn diese Musik von der CD auf der Bühne abgespielt wird (z. B. als Hintergrundmusik). Für ein solches Abspielen müssen die Rechte nicht bei den Leistungsschutzrechteinhaber*innen (z. B. Sänger*innen, Musiker*innen) eingeholt werden. Diese Art der Nutzung (Abspielen auf der Bühne) der künstlerischen Leistung ist schon per Gesetz erlaubt. Jedoch muss im Fall der Nutzung eine Vergütung gezahlt werden.
Der Komponist muss hingegen als Urheber, einer Abspielung der CD auf der Bühne zustimmen. Falls er Mitglied bei der GEMA ist, sind die Rechte dort zu erwerben.
§ 3 Verträge über Rechte nach dem Urheberrechtsgesetz — Urhebervertragsrecht
Wann darf man Werke und Leistungen von Künstler*innen nutzen?
Urheberrechtlich geschützte Werke und Leistungen darf man entweder nutzen,
- wenn man eine Vereinbarung mit den Künstler*innen bzw. mit den die Künstler*innen vertretenden Verwertungsgesellschaften getroffen hat (vertragliche Rechteeinräumung) oder
- wenn das Gesetz die Nutzung erlaubt (gesetzliche Lizenz oder lizenzfreie Nutzungen (z. B. Zitatrecht oder Pastiche ))
Vertragliche Vereinbarungen über Nutzungsrechte
Urheber*innen können anderen Personen Rechte zur Nutzung ihrer urheberrechtlich geschützten Werke einräumen. Das geschieht in Form von Vereinbarungen darüber, wie das jeweilige Werk und für welche Zwecke es genutzt werden soll (auch Lizenzen genannt).
Beispiel 4
Eine Künstler*innengruppe möchte eine Inszenierung, bestehend aus Text, Choreografie, Musik etc., an einem Haus aufführen und die Aufführung aufzeichnen.
Zu einem späteren Zeitpunkt überlegt sich die Künstler*innengruppe, dass sie die Aufnahme noch im Rahmen eines digitalen Festivals streamen möchte.
Bei der Einräumung der Rechte für die Inszenierung, spielen Urheberrechte und Leistungsschutzrechte verschiedener Künstler*innen eine Rolle:
- Urheberrechte an den Textwerken, den Musikkompositionen und der Choreografie, die der Inszenierung zugrunde liegen.
- ggf. Urheberrechte am Bühnenbild (je nach Schöpfungshöhe)
- Leistungsschutzrechte der darbietenden Künstler*innen an der Aufnahme ihrer jeweiligen Darbietungen (Schauspiel, Tanz, Gesang, Instrumentenspiel etc.) fürs Streaming.
- Leistungsschutzrechte des Veranstalters an der Aufnahme der Aufführung
- Leistungsschutzrechte der Hersteller*in der Tonaufnahmen, wenn die Musik nicht live gespielt wurde, sondern ein Tonband abgespielt wurde
Bei den Rechten nach dem Urhebergesetz unterscheiden wir zwischen den verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten. Dies kann mit einem Mietvertrag verglichen werden. Im Mietvertrag wird nämlich auch geregelt, wie der angemietete Raum genutzt werden darf (Nutzung als Wohnung oder Gewerbe, als Club, Hotel, Kanzlei).
Das Urheberrechtsgesetz zählt in § 15 Urheberrechtsgesetz auf, in Bezug auf welche Nutzungsarten die Urheber*innen ausschließliche Rechte haben.
Nr. 1: das Vervielfältigungsrecht (§ 16), | Nr. 2: das Verbreitungsrecht (§ 17), |
Nr. 3: das Ausstellungsrecht (§ 18), | Nr. 4: das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19), |
Nr. 5: das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a), | Nr. 6: das Senderecht (§ 20), |
Nr. 7: das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21), | Nr. 8: das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§ 22). |
Die Liste der einzuräumenden Nutzungsrechte im obigen Beispiel 4 umfasst insbesondere ein Recht zur Aufführung (§ 19 Absätze 1, 2 Urheberrechtsgesetz), das Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung (§§ 16, 17 Urheberrechtsgesetz), das Recht zum Streamen (§ 19a Urheberrechtsgesetz), das Recht der erstmaligen Ausstellung des Bühnenbildes (§ 18 Urheberrechtsgesetz) sowie Rechte für diverse Formen der live oder nachträglichen Wiedergabe (§§ 19 Absätze 3 und 4, 21, ggf. 22 Urheberrechtsgesetz).
Die Einräumung der Rechte geschieht in der Regel entweder durch eine konkrete Auflistung – wie hier im obigen Absatz – der eingeräumten Rechte (in einem Vertrag oder auch weniger förmlich durch Vereinbarungen in einem E-Mail-Verkehr) oder auch durch eine pauschale Erlaubnis (d. h. es werden nicht einzelne Rechte aufgelistet, sondern es ist die Rede von allen nötigen Rechten oder die Rechte oder ähnliches).
Solche pauschalen Formulierungen sind allerdings häufig nicht wirksam, so dass es für die Frage, welche Rechte eigentlich genau eingeräumt wurden, nicht mehr auf das Vereinbarte ankommt, sondern auf die Ergebnisse einer Auslegung des Zwecks, den die Parteien miteinander verfolgen. Als Instrument für eine solche Auslegung, bietet das Gesetz die Zweckübertragungslehre an).
Gesetzliche Lizenz
Für manche Nutzungen bestimmt bereits das Gesetz, dass diese per Gesetz erlaubt sein sollen, die Urheber*innen oder Leistungsschutzrechteinhaber*innen aber für die Nutzung vergütet werden. Das ist dann eine sogenannte gesetzliche Lizenz (oder auch: Beschränkung des Inhalts des urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts auf „nur“ einen Vergütungsanspruch). Ein Beispiel für eine solche gesetzliche Lizenz ist die als Privatkopie bekannte zustimmungsfreie Nutzung von urheberrechtlich geschützten Texten. Diese Freistellung von einer vertraglichen Lizenz ist in § 53 Urheberrechtsgesetz geregelt, der die dort gelisteten Handlungen der Entscheidungshoheit der Urheber*innen entzieht, ihnen aber im Gegenzug einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung gegen Gerätehersteller normiert (vgl. § 54 Urheberrechtsgesetz).
Lizenzfreie Benutzung
Die lizenzfreie Benutzung wiederum bezeichnet die Fälle, in denen das Gesetz entscheidet, dass keine Erlaubnis notwendig sein soll, ein urheberrechtlicher Schutz des Werkes oder der Leistung an der Stelle also nicht besteht. Auch gibt es hier keine Vergütungsansprüche für die Urheber*innen. Solche Ausnahmen vom urheberrechtlichen Schutz der Urheber*innen bietet z. B. die Nutzung zum Zweck des Zitats oder zum Zweck der Pastiche.
Zitatrecht
Das Zitatrecht dient der geistigen Auseinandersetzung mit bereits vorhandenen Werken und erlaubt daher, fremde Werke oder Werkteile zustimmungsfrei in ein eigenes Werk einzubinden.
Zulässig sind z. B. die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn
- einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbstständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden
- Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden
- einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden
Auch die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des zitierten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist, ist nach dem Zitatrecht erlaubt.
Beim Zitieren ist wichtig:
- dass es sich um ein bereits veröffentlichtes Werk handelt
- stets die Quelle des Zitats anzugeben,
- das Zitierte nicht zu verändern
- nur im gebotenen Umfang zu zitieren
Bei dem gebotenen Umfang lautet die Faustregel „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“ des Werkes zu nutzen, um den Zitatzweck zu erfüllen.
Das Zitat muss als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage dienen. Es muss also eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem übernommenen Werk erfolgen. Es soll nicht als Ersatz für eigene Ausführungen und Argumente genutzt werden.
Bei einer künstlerischen Verwendung muss das künstlerische Anliegen mitberücksichtigt werden. Ein umfangreicheres Zitat eines anderen Kunstwerks kann somit erlaubt sein, wenn es Grundlage der künstlerischen Auseinandersetzung ist, z. B. die Wiedergabe von Passagen aus einem Theaterstück von Bertold Brecht in einem anderen Theaterstück. Eine Grenze ist erreicht, wenn Zitate lediglich zur Anreicherung des Werks genutzt werden.
Es wird unterschieden zwischen Großzitaten und Kleinzitaten.
- Bei einem Kleinzitat wird nur ein Ausschnitt aus einem Werk zitiert, z. B. kurze Szenen aus einem Film, wenige Seiten aus einem Buch usw.
- Ein Großzitat ist die Übernahme eines kompletten Werkes. Dies ist nach § 51 S.2 Nr. 1 Urheberrechtsgesetz zunächst nur in wissenschaftlichen Werken ohne weiteres erlaubt.
Außerhalb wissenschaftlicher Arbeiten ist die Übernahme eines ganzen Werkes zum Teil möglich, wenn der Zitatzweck nicht in anderer Weise erreicht werden kann. Über das „große Kleinzitat“ oder „kleine Großzitat“, eine Konstruktion aus der Rechtsprechung, ist die Nutzung eines gesamten Werkes, insbesondere Bilder, Illustration u. a. häufig also trotzdem möglich. Bei einem Bild z. B. ist ein Zitieren, ohne das ganze Bild zu zeigen, rein faktisch nicht gut möglich. Da die komplette Nutzung eines Werkes nur ausnahmsweise erlaubt sein soll, wird im Einzelfall abgewogen, ob die erlaubnisfreie Nutzung die Urheberrechte nicht zu stark einschränkt.
Pastiche
Urheberrechtlich geschützte Werke dürfen ohne Zustimmung der Urheber*innen verwendet werden, wenn das Werk zu Zwecken des Pastiches genutzt wird. Das regelt das Urheberrechtsgesetzt in § 51a.
In den Bereichen der Musik und der Literatur ist der Pastiche die stilistische Nachahmung eines anderen vorbestehenden Originalwerkes, wobei dieses innerhalb des im Pastiche entstandenen Neuwerkes noch als solches erkennbar sein muss.
Das Originalwerk darf dabei umgestaltet oder in einen anderen Kontext gesetzt werden. Die Modifikation eines urheberrechtlich geschützten Werkes ist also gerade charakteristisch für den Pastiche, dessen gesetzliche Regelung in § 51 a Urheberrechtsgesetz die Bearbeitung des Originalwerkes gestattet und damit das Bearbeitungsrecht der Urheber*innen nach § 23 Urheberrechtsgesetz einschränkt.
Die Einordnung eines Werkes als Pastiche setzt also zunächst voraus, dass es eine Auseinandersetzung mit einem vorbestehenden Werk widerspiegelt, an das es erinnert. Gleichzeitig muss es sich von dem Originalwerk auch hinreichend unterscheiden, anders als das Plagiat.
Beispiele für Pastiche sind der Remix, Sampling, Fan Art, Fan Fiction, oder in Formen zeitgenössischer Kommunikationsform wie Meme oder GIF, Mashup. Da bei dieser Thematik aufgrund der erst seit Sommer 2021 in Kraft getretenen Gesetzesfassung zu Pastiche vieles offen ist, liegt dem EUGH seit 14.09.2023 eine Vorlage des Bundesgerichtshofes (BGH) vor, die klären soll, was genau unter Pastiche zu verstehen ist. Die Entscheidung des EUGH könnte die Kunstwelt verändern, wenn das oberste europäische Gericht den Begriff des Pastiche weit auslegt und damit dann vieles, was künstlerisch ist, unter Pastiche fallen würde.
Zweckübertragungslehre
Werden die einzelnen Nutzungsrechte nicht (wirksam) eingeräumt, dann richtet sich das Urheberrechtsgesetz nach dem Zweck der Vereinbarung:
„Sind bei der Einräumung eines Nutzungsrechts die Nutzungsarten nicht ausdrücklich einzeln bezeichnet, so bestimmt sich nach dem von beiden Partnern zugrunde gelegten Vertragszweck, auf welche Nutzungsarten es sich erstreckt.“ (§ 31 Absatz 5 Urheberrechtsgesetz)
Wird zwischen den Parteien (wie so oft in der Praxis) also keine schriftliche Vereinbarung über die Einräumung der Nutzungsrechte getroffen oder lässt sich beispielsweise das Theater pauschal „alle Rechte“ einräumen (was in dieser pauschalen Weise nicht wirksam ist), dann ist der Umfang der Einräumung der Rechte unklar und muss ausgelegt werden.
Dieser Umfang der Rechte bestimmt sich dann danach, was mit dem zwischen den Parteien vereinbarten Zweck des Vertrages verfolgt wird. Beispielsweise wäre dies bei einem Aufführungsvertrag die Aufführung selbst. Damit die Aufführung umgesetzt wird, gelten dann alle Rechte, die für eine Aufführung erforderlich sind, nach dieser Auslegung als eingeräumt. Nicht jedoch die Rechte zum Streamen, denn für die Aufführung (Zweck des Vertrages) ist es nicht erforderlich, dass das Stück später noch gestreamt wird. Diese Auslegungsregel der Zweckübertragung hat ihren gesetzlichen Niederschlag in § 31 Abs. 5 Urheberrechtsgesetz gefunden.
Beispiel 5
Besteht ein vereinbartes Vorhaben in der Produktion einer Aufführung für ein einmaliges Online-Screening und haben die Parteien nichts oder nur einen unwirksamen pauschalen Satz geregelt („alle Rechte bleiben bei X“), dann ist durch Auslegung nach der Zweckübertragungslehre der Umfang auf den für die Erfüllung des Vertrages erforderlichen Zweck begrenzt. Hier darf das jeweilige Werk (z. B. Text) demnach also vorgetragen, abgefilmt und nur einmal gestreamt und ggf. auch bearbeitet werden.
In Beispiel 4 sind die Parteien zusammengekommen, um ein Gastspiel aufzuführen und die Aufführung aufzunehmen. Erst zu einem späteren Zeitpunkt beschließt die Künstler*innengruppe die Aufnahmen zu streamen.
Nach der Zweckübertragungslehre wäre auch ohne einen schriftlichen Vertrag oder nur mit einer pauschalen Vereinbarung die Aufführung und Aufnahme der Inszenierung zulässig. Denn die beteiligten Künstler*innen wussten, dass diese beiden Vorgänge Teil der Vereinbarung sind. Diese zwei Nutzungsformen (Aufführung und Aufnahme) waren der Grund, warum die Parteien überhaupt das Gastspiel vereinbart haben. Die Künstler*innengruppe hat dem Haus daher diese Rechte auch ohne explizite Vereinbarung eingeräumt.
Das Streamingrecht war nach der Zweckübertragungslehre jedoch ursprünglich davon nicht umfasst. Das liegt daran, dass die Künstler*innengruppe im obigen Beispiel das Vorhaben eines Streamings auf dem digitalen Festival erst einige Zeit später, also nach dem Gastspielvertrag, ins Auge gefasst hat.
§ 4 Rechte an Musikwerken
Welche Rechte (nach dem Urhebergesetz) spielen bei auf der Bühne verwendeten Musikwerken eine Rolle?
Ein Werk der Musik (also eine Melodie, einen Song, ein Musikstück, eine Aufnahme etc.) wird entweder durch eine einzige oder mehrere Urheber*innen erschaffen. So werden in Musikwerken z. B. Kompositionen von Komponist*innen und Textwerke von Liedtexter*innen zusammengeführt. Kommen dann noch Interpret*innen hinzu, die das Musikstück für eine Aufnahme spielen, tragen auch diese zum Gesamt(Musik)werk bei. Schließlich sind noch Tonträgerhersteller*innen beteiligt, die die Aufnahme des gespielten Musikwerkes durchführen.
Die Rechte, die an einem solchen Musikwerk bestehen, sind dann bei allen beteiligten Künstler*innen und Rechteinhaber*innen einzuholen.
Wessen Rechte sind einzuholen?
Beispiel 6
Ein Komponist komponiert eine Melodie, die ein Violinist spielt und eine Texterin schreibt dazu einen Text. Das Stück (Melodie, Text) wird von zwei Sänger*innen gesungen und die ganze Musikdarbietung (Spiel des Violinisten, dem die Melodie des Komponisten zugrunde liegt, und Gesang der Sängerinnen, die den Text der Texterin wiedergeben) wird von einem freien Tontechniker aufgenommen, um im Rahmen eines Werbespots zunächst nur auf der Social Media Plattform TikTok gestreamt zu werden. Nach Verbreitung des Werbespots auf TikTok, soll der Werbespot auch in der Prime Time im Fernsehen ausgestrahlt werden. Nachfolgende Nutzungsrechte sind nötig:
Wo müssen diese einzelnen Rechte eingeholt werden?
Wenn Künstler*innen keine Dritten mit der Verwertung ihrer Rechte beauftragt haben (z. B. Verwertungsgesellschaften, Musiklabel, Musikverlag), dann sind die Rechte direkt bei den jeweiligen Urheber*innen oder ausübenden Künstler*innen einzuholen.
Das ist jedoch selten der Fall. In der Regel sind Komponist*innen GEMA-Mitglieder oder beim Verlag, ggf. sind Sänger*innen bei einem Label, die ihre Rechte verwalten etc. Es muss daher zunächst geklärt werden, bei wem die Rechte liegen.
Beispiel 7
Bei Inszenierungen wird häufig entweder ein*e Komponist*in beauftragt, die Musik zu komponieren und ggf. auch aufzunehmen, oder es werden fertige Aufnahmen auf der Bühne abgespielt. In beiden Fällen muss geklärt werden, wo die Rechte liegen.
Zusammenarbeit mit Komponist*in
Im Fall einer eigenen Komposition von Komponist*in
Bei Verträgen mit Komponist*innen werden normalerweise alle Rechte, die die Komponist*innen haben, eingeräumt (insbesondere das Aufführungsrecht oder Aufnahmerecht).
Sofern Komponist*innen jedoch Mitglieder der GEMA sind, können sie selbst z. B. über einen Teil der eigenen Aufführungsrechte nicht mehr verfügen, weil sie diese Aufführungsrechte der GEMA zur Verwertung eingeräumt haben.
Das betrifft vor allem die Aufführungsrechte an Musikwerken, die konzertant (in Form eines Konzerts) aufgeführt werden. Das sind die sogenannten kleinen Rechte, die sich die GEMA von ihren Mitgliedern einräumen lässt. Im Unterschied dazu, liegen die sogenannten großen Rechte, die bei der Nutzung von Musikwerken in Bühnenaufführungen entstehen, nicht bei der GEMA, sondern beim Urheber, selbst dann, wenn der Komponist Mitglied der GEMA ist.
Wenn es sich also um das große Recht handelt und die*der Komponist*in nicht von einem Musikverlag vertreten wird, dann müssen die Rechte direkt bei der*dem Komponist*in eingeholt werden.
In Falle einer GEMA-Mitgliedschaft von Komponist*in, und wenn es um die konzertante Nutzung eines Musikwerkes geht (kleines Recht), muss die Lizenz für die Aufführung bei der GEMA eingeholt werden,
Dazu sind noch folgende Rechte bei der GEMA einzuholen:
- das Recht der Vervielfältigung
- das Senderecht (Funk und Fernsehen)
- das Recht der öffentlichen Wiedergabe durch Ton- und Bildtonträger
- das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (Streaming, z. B. über Plattformen)
Um diese Rechte bei der GEMA einzuholen, muss man im Vorfeld der Nutzung bei der GEMA die betreffenden Musikwerke anmelden. Die GEMA erteilt dann für die benannte Nutzungsart (z. B. Theateraufführung) die notwendigen Rechte.
Verwendung fremder Musik
Vereinzelt kann die Rechteeinholung vermieden werden, wenn die Verwendung der fremden Musik sich als Zitat oder Pastiche qualifizieren lässt.
Beispiel 8
Teilweise wollen Komponist*innen fremde Musik mit in ihre Musik einspielen z. B. eine Aufnahme von Britney Spears in ihre eigene Komposition einbauen. Die Verwendung eines kleinen Teiles einer fremden Musik in der eigenen Komposition kann eine Bearbeitung der fremden Musik oder Vervielfältigung des Originaltonträgers der fremden Musik darstellen. Hier ist die Rechteklärung häufig sehr schwierig und die Rechte sind bei den Labels (Leistungsschutzrechte von Musiker*innen und Tonträgerhersteller*innen) und Musikverlagen (Komponist*innen) einzuholen. Bei der GEMA sind in diesen Fällen keine Rechte einzuholen, da es sich um Bearbeitungen handelt, für die die GEMA keine Rechte zur Verwertung übertragen bekommen hat.
Abspielen vom Band
Wird ein bereits aufgenommenes Musikwerk als gesamtes Stück (nicht nur Teile, sonst vgl. Beispiel 8 zuvor) für eine Inszenierung verwendet, so ist auch hier zu klären, bei wem die Rechte liegen, die für die Nutzung der Musik in der Inszenierung notwendig sind.
Auch hier muss zwischen verschiedenen Rechteinhaber*innen unterschieden werden: Komponist*innen, die GEMA-Mitglied sind und solche, die es nicht sind und dann noch Liedtexter*innen und ausübende Künstler*innen (Sänger*innen, Musiker*innen) sowie Tonträgerhersteller*innen. Nachfolgend führen wir nur die Einholung der Rechte von Komponist*innen und ausübenden Künstler*innen auf:
Komponist*innen, die bei der GEMA sind
Die Rechte von Komponist*innen, die bei der GEMA sind, werden vor allem bei der GEMA eingeholt. Davon ausgenommen sind aber einzelne Rechte wie insbesondere das große Recht (bühnenmäßige Inszenierung zum Musikwerk). Mehr Einzelheiten zu Rechten, die nicht bei der GEMA liegen, haben wir in diesem Beitrag zusammengestellt.
Komponist*innen, die nicht bei der GEMA sind
Sie können ihre Rechte selbst einräumen, sofern sie diese nicht einem Musikverlag zur Verwertung eingeräumt haben. Wenn diese beim Musikverlag sind, räumt der Musikverlag die Rechte ein.
Ausübende Künstler*innen
Ausübende Künstler*innen (Sänger*innen, Musiker*innen) verwerten ihre Rechte entweder selbst oder haben diese beispielsweise einem Label zur Verwertung eingeräumt.
Die Struktur der Rechte nach dem Urheberrechtsgesetz erlaubt den ausübenden Künstler*innen nicht, selbst über alle Nutzungsarten ihrer Darbietungen zu bestimmen. Anders als die Urheber*innen, haben ausübende Künstler*innen ein paar wenige ausschließliche Rechte an ihrer künstlerischen Leistung (insbesondere Rechte zur Vervielfältigung und Verbreitung, Recht der öffentlichen Zugänglichmachung und ggf. alternativ Senderecht). Und ergänzend räumt das Urheberrechtsgesetz den ausübenden Künstler*innen für bestimmte andere Nutzungsarten, die sie nicht verbieten können, Vergütungsansprüche ein. Wird z. B. eine aufgezeichnete Darbietung auf der Bühne abgespielt, dann entstehen den ausübenden Künstler*innen solche Vergütungsansprüche. Für diese Nutzungsart muss ein*e Nutzer*in also keine Lizenz bei den ausübenden Künstler*innen einholen, muss jedoch eine Vergütung zahlen.
Auch erhalten die ausübenden Künstler*innen, die GEMA-Mitglieder sind, Lizenzgebühren, die die GEMA für sie eingesammelt hat.