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Gefährdungsbeurteilung

Sieben Schritte einer Gefährdungsbeurteilung, Beispiel einer Gefährdungsbeurteilung für szenische Darstellungen

Laut Arbeitsschutzgesetz ist der/die Unternehmer*in zur Durchführung einer Beurteilung der Arbeitsbedingung (Gefährdungsbeurteilung, im Weiteren kurz „GBU“) verpflichtet.
Es gibt keine festgelegte Form für eine GBU, sie sollte allerdings dem „Handlungskreislauf“ folgen.
Das bedeutet, die GBU soll eine systematische Feststellung und Bewertung von relevanten Gefährdungen bei der Arbeit und die Ableitung sinnvoller Maßnahmen enthalten.
Die gewählten Maßnahmen sind auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, sofern sie nicht wirksam sind oder sobald sich entscheidende Gegebenheiten ändern.

Links

Erstellung von Gefährdungsbeurteilung
DGUV

Liste der Gefährdungsfaktoren
Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG)

Risikomaßzahl
DGUV Information 215-315

Beispiel für GBU
DGUV Information 215-315

Handlungskreislauf – Die 7 Schritte der Gefährdungsbeurteilung

Die sieben Schritte der Gefährdungsbeurteilung werden als Kreislauf dargestellt.

Der gesamte Prozess der GBU mitsamt den Ergebnissen muss dokumentiert werden.
Die DGUV bietet umfangreiche Informationen zur Erstellung von Gefährdungsbeurteilung an.

Die GBU ist eine ganz zentrale Säule in der Organisation des Arbeitsschutzes. Der/ die Arbeitgeber*in ist verpflichtet, unter anderem arbeitsplatzbezogene bzw. tätigkeitsbezogene Gefährdungsbeurteilungen zu erstellen. Daraus ergibt sich, dass auch für jede szenische Darstellung eine GBU erstellt werden muss.

Wer darf eine Gefährdungsbeurteilung erstellen?

Die Verpflichtung zur Erstellung von GBUs liegt bei dem/der Unternehmer*in. Der/die Unternehmer*in kann die Aufgabe (bzw. Pflicht) aber auch übertragen, und zwar an zuverlässige und fachkundige Personen.

Zuverlässig sind die für die Pflichtenübertragung vorgesehen Personen, wenn zu erwarten ist, dass diese die Aufgaben des Arbeitsschutzes mit der gebotenen Sorgfalt ausführen.
Fachkundig sind die für die Pflichtenübertragung vorgesehenen Personen, die das einschlägige Fachwissen und die praktische Erfahrung aufweisen, um die ihnen obliegenden Aufgaben sachgerecht auszuführen.

(Definition laut DGUV Regel 100-001 Punkt 2.12)

Beispiel: Gefährdungsbeurteilung für szenische Darstellungen

Bei einer Schauspiel-Inszenierung soll ein*e Darsteller*in auf einer 1,5 m hohen Mauer balancieren.
Laut DGUV Vorschrift 17 und 18 besteht ab 1m Höhe Absturzgefahr, das heißt es müssen bei der geplanten Szene wirksame Einrichtungen gegen Absturz vorhanden sein. Aus künstlerischen Gründen ist das bei einem Bühnenbild häufig nicht gewünscht, aber
künstlerische Gründe rechtfertigen nicht den Verstoß gegen eine Unfallverhütungsvorschrift. Es müssen Schutzmaßnahmen ergriffen werden, wenn die Szene wie gewünscht umgesetzt werden soll. Die DGUV Regel 115-002 gibt konkrete Anhaltspunkte, wie diese Schutzmaßnahmen aussehen können, z.B.:

  • Absturzkanten müssen bei allen Beleuchtungsverhältnissen deutlich erkennbar sein, z. B. durch selbstleuchtende oder lang nachleuchtende Markierungen oder Leuchten
  • die Auftrittsfläche für die Darstellenden muss griffig sein
  • der Aufprallbereich (einschließlich eines Sicherheitsbereiches) muss ein geeigneter, nachgiebiger Untergrund sein (Sportboden, nachgiebige Matten)
  • im möglichen Fallbereich dürfen sich keine verletzungserschwerenden Gegenstände oder Aufbauten befinden
  • für die Darstellenden soll eine Möglichkeit zum Festhalten vorhanden sei

Vorgehensweise beim Erstellen einer GBU:

Tipp: Beim Erstellen einer GBU ist eine Liste mit den „Gefährdungsfaktoren“ hilfreich.
Liste der Gefährdungsfaktoren der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG)

Anhand einer solchen Liste können die Gefährdungen systematisch ermittelt werden.

Am Beispiel:

1. Arbeitsbereich und Tätigkeit festlegen

Individuelle Gefährdungsbeurteilung für die szenische Darstellung mit Absturzgefahr

2. Gefährdung ermitteln

Absturzgefahr beim Balancieren auf einer 1,5 m hohen Mauer.
Der Gefährdungsfaktor lautet Absturz.

3. Gefährdung beurteilen

Das Risiko der Ausgangssituation muss eingeschätzt werden. Wie gefährlich ist der Vorgang/ die Situation?
Dazu werden betrachtet:
1. Schadensschwere: Mit welchem Schadensausmaß muss gerechnet werden?
Am Beispiel: Mit welchen Schäden/ Verletzungen ist zu rechnen, wenn eine Person aus 1,5 m Höhe stürzt? Die Bandbreite der Schadensschwere reicht von „keine erheblichen Verletzungen“ bis „katastrophale/ tödliche Verletzungen“.
2. Eintrittswahrscheinlichkeit: Wie wahrscheinlich ist es, dass dieses Ereignis eintritt?
Hier reicht die Skala von „sehr wahrscheinlich“ bis „nahezu ausgeschlossen“.
Diese Risikoeinschätzung kann anhand einer Risikomaßzahl gemacht werden, auch hierzu liefert die DGUV Information 215-315 eine gute Hilfestellung.

4. Schutzmaßnahmen festlegen

Die Festlegung der Maßnahmen soll nach dem STOP-Prinzip erfolgen:
S ~ Substitution („Austauschen“):

Bei der szenischen Darstellung mit Absturzgefahr würde Substitution bedeuten, dass auf diese Art der Darstellung zugunsten einer Szene ohne Absturzgefahr verzichtet wird. Substitution ist nicht immer möglich.
Ein Beispiel aus einem anderen Bereich: Beim Einsatz von Gefahrstoffen wird ein sehr gefährlicher Stoff gegen einen anderen ausgetauscht wird, der weniger gefährlich ist, aber den gleichen Zweck erfüllt.
T ~ Technisch:
Anbringen von technischen Schutzmaßnahmen, in unserem Fall eine Absturzsicherung wie ein Geländer.
O ~ Organisatorisch:
In unserem Beispiel könnte eine organisatorische Maßnahme sein, das Licht in der betreffenden Szene anzupassen. Außerdem eine Festlegung zu treffen, welche szenischen Handlungen möglich sind (Bspw. sehr langsames Gehen vs. Springen)
P ~ Personenbezogen:
Am Ende stehen personenbezogene Maßnahmen, das kann Persönliche Schutzausrüstung sein oder z.B. eine spezielle Unterweisung der betroffenen Personen. Dazu kommt meist, dass szenische Handlung ausreichend geprobt werden müssen.

Das Stop-Prinzip ist hierarchisch aufgebaut. Das bedeutet, dass Substitution, technische und organisatorische Maßnahmen immer Vorrang vor personenbezogenen Maßnahmen haben!

5. Maßnahmen durchführen

Tipp: Bei der Festlegung von Fristen und Verantwortlichkeiten für die Umsetzung der Maßnahmen ist es sehr hilfreich, wenn Verantwortlichkeiten klar geregelt und benannt sind.

6. Wirksamkeit prüfen

Wie gefährlich ist der Vorgang/ die Situation nach Umsetzung der gewählten Maßnahmen?
Ist die konkrete szenische Handlung in der festgelegten Situation sicher durchführbar? Ist das Restrisiko akzeptabel?

Falls ja, kann die GBU als momentan abgeschlossen betrachtet werden.

7. Dokumentieren und Fortschreiben

Nur noch alles dokumentieren und die Betroffenen über das Ergebnis der GBU informieren.
Ergibt die Wirksamkeitskontrolle hingegen, dass noch immer ein Risiko besteht, die Maßnahmen also nicht ausreichend wirksam sind, beginnt der Handlungskreislauf von vorne.

Das Ergebnis einer GBU kann auch lauten, dass es keine wirksamen Schutzmaßnahmen gibt und sich das Restrisiko nicht auf ein akzeptables Maß reduzieren lässt. In diesem Fall sollte die beurteilte szenische Handlung (oder die Tätigkeit im Allgemeinen) nicht durchgeführt werden.

Ergeben sich Veränderungen, z.B. während des Probenprozesses, muss die GBU angepasst werden!

Die DGUV Information 215-315 liefert ein anderes Beispiel für eine GBU.

Eine festgelegte Form für die Erstellung einer GBU existiert nicht. Je nach Komplexität des zu betrachtenden Arbeitsbereichs oder der Tätigkeit bietet sich eine Tabelle an, in der die verschiedenen ermittelten Gefährdungen aufgeführt und anhand des Handlungskreislaufes bearbeitet werden.