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Der Kulturkampf von rechts

Wie Kunst und Kultur damit umgehen können

 

Stand: April 2024

Einleitung

Der Kulturkampf von rechts will die Machtverhältnisse zugunsten des modernisierten Rechtsextremismus verändern. Er zielt auf die Erlangung von kultureller Hegemonie und strebt die Hoheit über gesellschaftliche Debatten und Diskurse an. Kunst und Kultur, die für eine offene demokratische Gesellschaft einstehen, finden sich zunehmend im Zentrum dieser Auseinandersetzungen. Das Engagement gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, für Geschlechter- oder Klimapolitik oder für kritische Gedenk- und Erinnerungspolitik gerät verstärkt unter Druck. Ob Bühnenbetriebe, Kollektive, Soziokulturelle Zentren, Ensembles, Festivals oder Literaturhäuser – die Angriffe betreffen zahlreiche kulturelle Bereiche.

Dieser Kulturkampf will nicht bestimmte künstlerische Positionen abwehren, und es geht ihm auch gar nicht um Kunst und Kultur im engeren Sinne. Er ist vielmehr Ausdruck eines politischen Machtkampfes, in dem es um die Hoheit über Geschichtsbilder, gesellschaftliche Normen, Geschlechterrollen und kulturelle Identität geht. Während sich der dieser Beitrag auf die Auswirkungen des Kulturkampfs von rechts auf den Kunst- und Kulturbereich konzentriert, erstreckt sich dieser Kulturkampf selbst auf weitere gesellschaftliche Bereiche, etwa die Geschichts- und Erinnerungskultur, die Bildungspolitik und den Bibliotheksbereich. So versuchen Rechtsextreme in der Erinnerungspolitik die NS-Vergangenheit zu relativieren, postkoloniale Perspektiven zu verdrängen und nationale Sinnstiftungen und sog. Heldenerzählungen zu stärken (siehe Publikation der MBR Berlin „Nur Schnee von Gestern?“). Im Zentrum rechter Einflussversuche auf Bibliotheken steht die Frage, welche Literatur und welche Perspektiven zugänglich sind. Immer wieder gibt es Forderungen, queere oder rassismuskritische Bücher aus Kinder- und Jugendbibliotheken zu entfernen, Bildungsprogramme zu „entpolitisieren“ oder Veranstaltungsformate, die sich mit Diversität befassen, zu streichen. Zugleich nutzen Rechtsextreme Bibliotheken gezielt als Bühne, um eigene revisionistische oder verschwörungsideologische Inhalte zu platzieren (siehe Publikation der MBR Berlin „Alles nur leere Worte?“).

Ziel ist die Erlangung kultureller Hegemonie

Mit der Erlangung der kulturellen Hegemonie verfolgen Akteur*innen des modernisierten Rechtsextremismus das Ziel, ihre Norm- und Wertevorstellungen gesellschaftlich durchzusetzen. Hierbei orientieren sie sich an den Ideen des italienischen marxistischen Theoretikers Antonio Gramsci, der die Bedeutung der kulturellen Einflussnahme für politische Veränderungen hervorhob. Gramsci erkannte, dass politische Gestaltungsmacht nicht allein durch die Kontrolle des Staates gesichert wird, sondern auch durch die Durchsetzung eines bestimmten Weltbilds in der Gesellschaft, das auch von der Mehrheit der eigenen Anhänger*innen getragen wird. Dieses Konzept wird von rechtsextremen Intellektuellen gezielt übernommen und umgedeutet. Sie wollen die kulturelle Landschaft schrittweise so verändern, dass ihre ideologischen Vorstellungen zur gesellschaftlichen Selbstverständlichkeit werden. Das also ist die Zielsetzung: Bevor die politische Macht errungen werden kann, müsse erst das gesellschaftliche Klima verändert werden. Rechtsextreme setzen deshalb gezielt auf den Kulturkampf, um über die kulturelle Hegemonie an die politische Macht zu gelangen.
 

Cover der Broschüren der MBR mit den Titel "Alles nur leere Worte" und "Nur Schnee von gestern?"

Wichtige strategische Ziele des Kulturkampfes von rechts

Ein zentrales strategisches Ziel dieses Kampfes ist die „Entideologisierung“ von Kunst und Kultur. So werden Personen oder Institutionen des Kulturbetriebs als Erben der 1968er-Bewegung und als „links-grün-versifft“ diffamiert. Alles, was mit der Chiffre ‘68 verbunden wird, wie tiefgreifende kulturelle und soziale Umwälzungen, sexuelle Befreiung, antiautoritäre Erziehung oder die Ausdifferenzierung der Lebensstile, wird angefeindet und soll rückgängig gemacht werden.

Ein weiteres strategisches Ziel ist die Forderung nach „Neutralität“, mit der bewusst Unsicherheit erzeugt und Kritik an menschenfeindlichen Positionen abgewehrt werden soll. Sie wird gegen alle erhoben, die sich kritisch mit Rechtsextremismus und anderen Ungleichwertigkeitsideologien sowie für emanzipatorische Inhalte einsetzen. Damit geht der Versuch einher, diese Kritik als nicht legitim darzustellen und eine inhaltliche Diskussion zu diskreditieren.

Werden Rechtsextreme kritisiert oder von Veranstaltungen ausgeschlossen, inszenieren sie sich ihrerseits oft als Opfer einer vermeintlichen Meinungsdiktatur. Diese Opferstilisierung nutzen sie zur Kritikabwehr; Kritiker*innen werden Zensurversuche unterstellt, oder sie werden als Linksextreme diffamiert und bekämpft.

Die verschiedenen strategischen Ziele des Kulturkampfes von rechts dienen dazu, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben. In Deutschland sind die Hauptakteur*innen dieser Diskursverschiebung in der AfD und ihrem Umfeld zu finden. Durch ihre mediale Präsenz und ihre eigenen Ressourcen verspricht die Partei, die größte Wirkung zu erzielen. Sie stellt z.B. regelmäßig eine Verbindung zwischen Migration und Kriminalität, Gewalt und Sicherheitsfragen her und betreibt die Ethnisierung gesamtgesellschaftlicher Probleme wie Gewalt gegen Frauen oder Antisemitismus.

Diese Technik der permanenten Diskursverschiebung beruft sich auf Meinungsfreiheit, um sich unangreifbar zu machen. Unter Berufung auf Meinungsfreiheit und mit dem Gestus des Widerstands gegen eine vermeintliche Meinungsdiktatur werden systematisch die Grenzen verschoben. Begriffe wie „Umvolkung“, „Messer-Migranten“, „Kopftuchmädchen“, „Gender-Wahnsinn“ oder „Schwulenlobby“ werden unentwegt verwendet, um sie als normalen Sprachgebrauch erscheinen zu lassen.

Jede Erwiderung, dass Meinungsfreiheit nicht zur Diffamierung anderer Menschen – insbesondere von Minderheiten – missbraucht werden darf, wird als „Political Correctness“ und „Wokeness“ sowie als „Zensur“ verächtlich gemacht. Dabei werden Analogien zur DDR-Diktatur oder anderen autoritären Staaten gezogen, um sich selbst als die eigentlichen Vertreter*innen der Demokratie darzustellen. Die Selbstinszenierung wechselt zwischen der Rolle des Tabubrechers, des mutigen Provokateurs und des Opfers. Falls eine Äußerung für Teile der Öffentlichkeit zu weit geht, folgt einfach eine Relativierung – doch das Thema ist gesetzt, die Aufmerksamkeit geweckt und die gewünschte Wirkung erreicht.

Herausforderungen für den demokratischen Kulturbetrieb

Einflussnahme auf Kulturinstitutionen

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin beobachtet seit vielen Jahren, dass Rechtsextreme auf verschiedenen Wegen versuchen, missliebiges Engagement im Kunst- und Kulturbereich zu diffamieren und zu verhindern, sowie Menschen, die sich für Demokratie engagieren, als politische Feinde zu markieren und unter Druck zu setzen (siehe Publikation der MBR Berlin „Alles nur Theater?“).
 

Cover der Broschüre der MBR mit dem Titel "Alles nur Theater?"

Ein häufig genutztes Mittel ist die Einflussnahme auf Förderstrukturen. Vor allem die AfD stellt gezielt parlamentarische Anfragen zu den Finanzierungsmodellen von Kulturprojekten, um vermeintliche „linke Netzwerke“ oder „ideologische Verzerrungen“ aufzudecken. Solche Anfragen dienen nicht nur der Informationsgewinnung, sondern sollen einen Rechtfertigungsdruck erzeugen und Projekte oder Institutionen in die Defensive drängen. Zudem werden gezielt politische Gremien genutzt, um Einfluss auf Kultureinrichtungen zu nehmen. Mit dem Einzug der AfD in die Kultur- und Haushaltsausschüsse von Bundestag und Landtagen haben Vorstöße zugenommen, die Kürzung oder gar Streichung der staatlichen Förderung bestimmter Projekte zu fordern. In Berlin wurde beispielsweise beantragt, dem Friedrichstadt-Palast, dem Gorki Theater und dem Deutschen Theater die Zuschüsse zu streichen – mit der Behauptung, dort würde „Gesinnungstheater“ betrieben. 

Auch auf juristischem Wege gibt es immer wieder Versuche, mittels Klagen bestimmte künstlerische Inhalte zu verbieten oder einzuschränken. Besonders betroffen sind Theaterstücke oder Kunstaktionen, die sich mit der AfD oder mit rechtsextremen Netzwerken auseinandersetzen. 

Ein weiteres Mittel sind gezielte Störaktionen. Immer wieder kommt es vor, dass Kulturveranstaltungen unterbrochen, Diskussionsrunden gekapert oder deren Räume gezielt genutzt werden, um rechte Erzählungen zu platzieren und anschließend die Aktionen öffentlichkeitswirksam zu verbreiten. Die rechtsextreme Gruppierung „Identitäre Bewegung“ störte eine Zeit lang vor allem Kulturveranstaltungen und verbreitete dort ihre Propaganda, verbunden mit dem Ziel einer möglichst erfolgreichen medialen Selbstinszenierung.

Die Akteur*innen wirken planmäßig in bestimmte Milieus hinein und provozieren Bedrohungen und Übergriffe. Auch die Nutzung rechtlicher Instrumente ist Teil dieser Strategie. Über Anfragen zur Gemeinnützigkeit von Vereinen oder die juristische Forderung nach „politischer Neutralität“ von Projekten, Organisationen sowie auch Schulen wird Druck ausgeübt; durch solche Maßnahmen können ganze Projekte in finanzielle oder juristische Schwierigkeiten gebracht werden.

Digitale Bedrohungen und Kampagnen

Über koordinierte Kampagnen in den Sozialen Medien werden Kultureinrichtungen und Einzelpersonen an den Pranger gestellt, etwa indem aus dem Kontext gerissene Informationen tendenziös verbreitet werden. Rechte Blogs und Netzwerke inszenieren eine öffentliche Empörung, die durch Shitstorms verstärkt wird. In vielen Fällen geraten betroffene Kulturschaffende oder Institutionen dadurch massiv unter Druck.

Die strategische Nutzung Sozialer Medien durch Rechtsextreme hat ein eindeutiges Ziel: Sie greifen zentrale Werte der offenen, liberalen Gesellschaft an und stellen demokratische Institutionen als „links-grün dominiert“ oder „ideologisch gesteuert“ dar. Dadurch werden Kunst- und Kultureinrichtungen diskreditiert und müssen sich gegen Unterstellungen verteidigen, statt ihrer eigentlichen Arbeit nachgehen zu können.

Welche Themen stehen im Fokus?

Die Angriffe richten sich besonders gegen Projekte und Einrichtungen, die für eine vielfältige Gesellschaft eintreten. Themen wie Migration, postkoloniale Aufarbeitung, Antirassismus, Feminismus oder geschlechtliche und sexuelle Vielfalt stehen besonders im Fokus rechtsextremer Kampagnen. Bestrebungen, marginalisierten Gruppen mehr Raum zu geben, werden systematisch als „Identitätspolitik“ diffamiert und als Bedrohung für eine vermeintlich „neutrale“ Kulturlandschaft dargestellt. Besonders in Debatten über „nationale Kultur“ zeigt sich die klare Stoßrichtung: Rechtsextreme Kulturpolitik fordert eine stärkere Orientierung an „traditionellen Werten“, tritt für die Förderung des Brauchtums und eines nicht-inklusiven, national-völkischen Heimatbegriffs ein, und mit „deutscher Leitkultur“ soll eine „deutsche Identität“ gestiftet werden. Emanzipatorische Inhalte und die Repräsentation und Förderung gesellschaftlich marginalisierter Gruppen sollen aus der öffentlichen Kulturarbeit verdrängt werden.

Dass diese Einschüchterungen funktionieren, zeigen verschiedene kulturpolitische Entscheidungen. So wurden in einzelnen Fällen Konzerte, Theateraufführungen oder Kunstausstellungen abgesagt, nachdem rechtsextreme Gruppen gezielt Stimmung gemacht hatten. Die Absage eines Konzerts der Band „Feine Sahne Fischfilet“ in Dessau 2018 ist ein Beispiel dafür: Rechte Mobilisierung führte dazu, dass die Veranstaltung aus Furcht vor weiteren Anfeindungen nicht stattfinden konnte. Im sächsischen Zwickau wurde 2023 ein queer-feministisches Kollektiv nach heftigen Anfeindungen in den Sozialen Medien von einem Theaterfestival ausgeladen. Auch wenn in diesem Fall die Veranstaltenden die Nichtbewilligung von Fördermitteln als Begründung vorgebracht haben, hatte es im Vorfeld Diffamierungen des Theaters und der Stadtverwaltung durch verschiedene rechtsextreme Gruppen sowie Einschüchterungen des Publikums und Störungen von Veranstaltungen gegeben.

Einschüchterung im privaten Umfeld

Immer öfter überschreiten Anfeindungen die Grenze zur Privatsphäre. Die Beratungspraxis der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin zeigt, dass Kulturschaffende immer häufiger auch in ihrem privaten Umfeld Ziel von Angriffen werden. Die gezielte Veröffentlichung von Namen und Adressen oder der Aufruf, Einzelpersonen in ihrem privaten Umfeld aufzusuchen, sind gängige Mittel der Einschüchterung bis hin zu Gewaltandrohungen und Morddrohungen, sei es online oder im direkten Lebensumfeld (siehe Broschüre der MBR Berlin „Wachsam sein“). 

Ein Beispiel dafür war ein Fall in Berlin, bei dem ein AfD-Mitglied des Abgeordnetenhauses mit einem Kamerateam die Produktionsfirma eines Satireformats aufsuchte, die einen kritischen Beitrag zu rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz produziert hatte. Die Klingeltafel der Firma wurde in Nahaufnahme gezeigt, woraufhin die Verantwortlichen antisemitische Morddrohungen erhielten. Auch in anderen Fällen haben sich Rechtsextreme Zugang zu Wohnadressen oder persönlichen Informationen verschafft, um sie zu veröffentlichen und Kulturschaffende einzuschüchtern.

Handlungsempfehlungen

Kultureinrichtungen, Kollektive und einzelne Kulturschaffende sind gegenüber den rechtsextremen Störungen und Angriffen nicht wehrlos. Sie können sich schützen, indem sie sich auf Angriffe vorbereiten, klare Positionen formulieren und solidarische Netzwerke aufbauen. Entscheidend ist, nicht erst zu reagieren, wenn Angriffe bereits geschehen sind, sondern sich frühzeitig Strategien zurechtzulegen, souverän vorzugehen und die eigene Widerstandsfähigkeit zu stärken.

Klare Positionierung als Schutzmechanismus

Die wohl wichtigste Grundlage für den Umgang mit rechtsextremen Anfeindungen ist eine klare demokratische Haltung. Kulturinstitutionen, die sich öffentlich positionieren, schaffen nicht nur Orientierung für ihr Publikum und ihre Mitarbeitenden, sondern verhindern auch, dass Rechtsextreme Definitionsmacht über ihre Arbeit erlangen. Wer nicht eindeutig und verständlich seine Haltung zum Ausdruck bringt, läuft dagegen Gefahr, in die Defensive gedrängt zu werden.

Rechtsextreme arbeiten gezielt mit Begriffsumdeutungen. Wenn z.B. von „Meinungsfreiheit“ gesprochen wird, ist damit gemeint, dass auch völkische oder rassistische Positionen gehört werden sollen. Wenn „Neutralität“ gefordert wird, ist gemeint, dass kritische und emanzipatorische Positionen verschwinden sollen. Kultureinrichtungen müssen sich daher bewusstmachen, dass es keine „neutrale“ Kunst und Kultur gibt. Wer sich gegen Diskriminierung und für eine offene Gesellschaft einsetzt, handelt nicht „ideologisch“, sondern verteidigt grundlegende demokratische und im Grunde selbstverständliche Werte. Sich in Kultureinrichtungen über die eigenen handlungsleitenden Begriffe auszutauschen, genau zu bestimmen, was mit Begriffen wie demokratisch, offen, divers, Freiheit oder inklusiv gemeint ist und das eigene Kunst- und Kulturverständnis in Abgrenzung zu dem des Rechtsextremismus verständlich zu beschreiben, kann ein klärender, produktiver und empowernder Prozess sein.

Ein „Code of Conduct“ – verbindlich und wertebasiert handeln

Ein Mittel, um eine solche Positionierung langfristig zu verankern, ist die Erarbeitung eines „Code of Conduct“. Ein solcher Verhaltenskodex definiert, welche Werte in einer Organisation gelten, wie mit Anfeindungen umgegangen wird und welche Schutzmaßnahmen bei Bedrohungslagen zu ergreifen sind. Um Rechtsextremismus oder andere Diskriminierungsformen erkennen und einordnen zu können, bedarf es der Qualifizierung der Mitarbeitenden. Ein internes Ampelsystem kann dabei eine praktikable Hilfestellung geben. Entlang der drei Ampelfarben werden hier Verhaltensweisen und Handlungen beschrieben, die verboten, die nicht erwünscht oder die legitim sind; zudem wird angegeben, wann welche Maßnahmen von wem ergriffen werden oder wann sie nicht erforderlich sind. Die Erarbeitung eines solchen internen Verhaltenskodexes sollte unter Einbeziehung möglichst vieler Mitarbeitenden erfolgen. Wer ein solches Regelwerk frühzeitig entwickelt, kann im Ernstfall darauf zurückgreifen und verhindern, dass aus akuten Vorfällen eine chaotische Krisensituation entsteht.

Umgang mit der Neutralitätsforderung – Eintreten für Demokratie und Menschenrechte

Öffentlich geförderte Kultureinrichtungen stehen besonders im Fokus rechtsextremer Angriffe. Oft wird behauptet, dass Kultureinrichtungen, die mit Steuergeldern finanziert werden, „politisch neutral“ sein müssten, zudem werden Kürzungen oder Umstrukturierungen gefordert. Hier gilt es zu handeln. Wer sich frühzeitig mit Verwaltung, Politik, anderen Kulturinstitutionen und demokratischen Akteur*innen in Aufsichtsgremien oder Beiräten vernetzt, kann sich gegen solche Einflussversuche wappnen. 

Grundsätzlich gilt für staatliche Stellen und kommunale Verwaltungen ein Neutralitätsgebot in der Weise, dass sie zur Gleichbehandlung von politischen Parteien angehalten sind. Der Bezug staatlicher Förderung besagt jedoch nicht, dass beispielsweise auf freie Träger, wie Vereine, dieses staatliche Gleichbehandlungsgebot übertragen wird. Außerdem bedeutet parteipolitische Neutralität keine Wertneutralität. Wenn grundgesetzlich geschützte Werte verächtlich gemacht oder angegriffen werden, dann müssen mit öffentlichen Mitteln finanzierte Institutionen das nicht hinnehmen. Im Gegenteil, ein Eintreten für Demokratie und Menschenrechte ist vielmehr geboten und kann als solches nie „neutral“ sein, sondern basiert auf universellen Werten.

Umgang mit Störaktionen – nicht das Wort nehmen lassen! 

Gerade bei eigenen Veranstaltungen zu Themen, die auf Rechtsextreme mobilisierend wirken, kann es notwendig sein, sich auf Störaktionen vorzubereiten (siehe Handreichung der MBR Berlin „Wichtiger denn je: Wir lassen uns das Wort nicht nehmen!“). Ein wirkungsvolles Mittel bei Veranstaltungen in geschlossenen Räumen ist die Einschränkung der Teilnehmenden durch einen Ausschlusssatz in den Ankündigungen, der darauf hinweist, dass rechtsextremen Personen oder Gruppen der Zutritt verwehrt wird. Das hilft, rechtsextreme Störer*innen frühzeitig auszuschließen. Rechtliche Rahmenbedingungen für einen solchen Ausschlusssatz sollten vorab geprüft werden, insbesondere bei mit öffentlichen Mitteln finanzierten Räumen.

Auch die Moderation spielt eine entscheidende Rolle: Sie muss darauf vorbereitet sein, provokant platzierte rechtsextreme Narrative nicht einfach stehen zu lassen, sondern aktiv zu kontern und die Diskussion auf das eigentliche Thema zurückzuführen. Bewährt hat sich eine Moderationsstrategie, die Provokationen kurz aufgreift, aber nicht vertieft, um den Störer*innen keine Plattform zu bieten. Sollte es dennoch zu massiven Störungen kommen, können vorab besprochene und geplante Notfallmaßnahmen greifen: zuvor erarbeitete Lösungen wie z.B. das klare Widersprechen durch die Moderation, das Ausschalten des Mikrofons oder eine Unterbrechung der Veranstaltung.

Eine gut vorbereitete Veranstaltungsleitung kann verhindern, dass Rechtsextreme den Raum für ihre Zwecke kapern. Ziel ist es nicht, kontroverse Diskussionen zu vermeiden, sondern demokratische Grundwerte zu schützen und eine sachliche Debatte sicherzustellen. Besonderes Augenmerk sollte auf die von rechtsextremen Angriffen potenziell Betroffenen gelegt werden. Ihnen gilt es beizustehen und sie konkret zu unterstützen (z.B. durch das Angebot, sie nach Hause zu begleiten).

Umgang mit Angriffen durch parlamentarische Anfragen 

Rechtsextreme Politiker*innen nutzen parlamentarische Anfragen gezielt für Einschüchterungen und Anfeindungen. Diese werden oft so formuliert, dass sie die Kultureinrichtung in eine Rechtfertigungsposition drängen. Es ist wichtig, sich nicht unter Druck setzen zu lassen und auf solche Anfragen besonnen zu reagieren.

Eine bewährte Strategie ist es, Antworten sachlich und knapp zu halten. Inhalte sollten sich auf bereits öffentlich zugängliche Informationen beschränken, um zusätzliche Angriffsflächen zu vermeiden. Falls eine Anfrage inhaltlich fehlerhafte Annahmen enthält oder diffamierende Formulierungen verwendet, wird eine kurze Richtigstellung genügen.

Umgang mit Besuchswünschen von Mandatsträger*innen

AfD-Politiker*innen fordern zuweilen einen besonderen Zugang zu staatlich geförderten Kultureinrichtungen und versuchen, ihre Anwesenheit als Legitimationsgewinn für ihre Partei sowie für ihre politischen Positionen zu inszenieren. Allerdings besteht kein besonderer Anspruch auf Besuche außerhalb des regulären Publikumsbetriebs, selbst wenn eine Einrichtung staatlich gefördert wird. Grundsätzlich gilt, dass das Kontrollrecht von Abgeordneten sich nur auf Exekutivorgane bezieht, denen zur Erfüllung ihrer Aufgaben hoheitliche Befugnisse übertragen wurden, nicht jedoch auf Kulturinstitutionen, die eigenständig über ihre Inhalte entscheiden.

Sollten Mandatsträger*innen dennoch versuchen, ihren Besuch politisch zu instrumentalisieren, ist eine klare und vorausschauende Kommunikationsstrategie wichtig. Einrichtungen können etwa durch eine öffentliche Stellungnahme verdeutlichen, dass sie für demokratische Werte stehen und sich gegen jede Form der politischen Einflussnahme auf die Kunstfreiheit verwahren. Es ist wichtig, solche Versuche nicht unkommentiert zu lassen, sondern proaktiv die eigene Haltung zu betonen.

Umgang mit digitalen Angriffen und medialer Diffamierung

Kunst- und Kulturinstitutionen müssen sich darauf vorbereiten, dass Anfeindungen nicht nur bei Veranstaltungen oder in der Presse erfolgen, sondern auch in digitalen Räumen (siehe Broschüre der MBR Berlin „Handlungssicher im digitalen Raum“).

Ein wirkungsvoller Schutz ist eine klare Social-Media-Strategie. Jede Institution sollte definieren, ob der eigene Social-Media-Auftritt primär als Informationskanal oder als Diskussionsplattform dient. Daraus ergeben sich unterschiedliche Moderationsaufgaben. Social-Media-Teams und -Verantwortliche sollten darin geschult werden, Hasskommentare zu erkennen, einzuordnen und darauf abgestimmt zu reagieren.

Ein bewährtes Mittel zur Moderation ist die Formulierung einer Netiquette, also einer digitalen Hausordnung, die Erwartungen an das Diskussionsklima bestimmt und deutlich macht, welche Inhalte nicht geduldet werden. Eine solche Netiquette sollte gut sichtbar auf der Plattform kommuniziert werden, etwa durch eine „angepinnte“ Beitragsreihe oder durch regelmäßige Hinweise in der Kommentarspalte.

Trotz klarer Regeln kann es vorkommen, dass rechtsextreme Netzwerke Shitstorms starten. In solchen Fällen sollten Moderationsteams schnell handeln: Verstöße dokumentieren, Bedrohungen an Beratungsstellen oder Strafverfolgungsbehörden weiterleiten und Hetzkampagnen konsequent sanktionieren. Plattformen bieten mitunter Möglichkeiten zur Sperrung und Meldung von Nutzer*innen, die bewusst gegen Regeln verstoßen.

Neben einer konsequenten Moderation sollte auch die Community sensibilisiert und gestärkt werden. Wer mit rechtsextremer Hetze konfrontiert wird, braucht solidarische Unterstützung. Eine aktive und wachsame Community kann dabei helfen, Diskussionen frühzeitig zu entschärfen und den digitalen Raum demokratisch zu gestalten.

Stabil bleiben – Zusammenstehen – Solidarität zeigen

Doch all diese Maßnahmen können nur wirken, wenn Kulturschaffende nicht isoliert bleiben und zusammenstehen. Rechtsextreme Angriffe zielen darauf ab, Einzelpersonen oder Organisationen herauszugreifen und unter Druck zu setzen. Die wichtigste Gegenstrategie ist daher Solidarität.

Ob durch Netzwerke wie „Die Vielen“, ob durch überregional organisierte Kampagnen oder durch kollektive Gegenaktionen – wer nicht allein bleibt, kann sich besser verteidigen. Eine widerstandsfähige Kulturlandschaft entsteht nicht durch Rückzug, sondern durch gemeinsames Handeln. Denn am Ende bleibt eine zentrale Erkenntnis: Der beste Schutz gegen den Kulturkampf von rechts sind eine Kunst und Kultur, die sich nicht einschüchtern lassen und Haltung zeigen.

Außerdem gibt es kompetente und kostenfreie Unterstützung: Die Teams der Mobilen Beratungen gegen Rechtsextremismus sind in jedem Bundesland aktiv. Sie geben Einschätzungen zu rechtsextremen Phänomenen und beraten im Umgang damit.